Entscheidungsstichwort (Thema)

Schließung einer Betriebskrankenkasse. gesetzlicher Beendigungstatbestand. ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer. Voraussetzung der Beendigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses miteinem Angehörigen einer Betriebskrankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

Voraussetzung für die gesetzliche Beendigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses wegen Schließung einer Betriebskrankenkasse ist die ordnungsgemäße Durchführung des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 SGB V.

 

Normenkette

SGB V § 155 Abs. 4, § 164 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.11.2011; Aktenzeichen 60 Ca 8004/11)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.11.2011 - 60 Ca 8004/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis wegen Schließung einer Krankenkasse auf gesetzlicher Grundlage oder durch Kündigung der Beklagten aufgelöst worden ist.

Der am ...1958 geborene Kläger war seit dem 03.03.1977 beim Land Berlin in der dortigen Betriebskrankenkasse beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.01.1999 wurde das Arbeitsverhältnis mit der Betriebskrankenkasse B. weitergeführt, die mit Wirkung zum 01.01.2004 mit der BKK H. zur Beklagten fusionierte. Der Kläger war als Sozialversicherungsfachangestellter bei einem monatlichen Bruttogehalt von 5.464,68 € in der Berliner Geschäftsstelle beschäftigt. Er war Mitglied des Personalrats und Vorsitzender des Hauptpersonalrats. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkasse vom 01.05.2010 Anwendung. Danach ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nur noch aus einem in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden Grund außerordentlich kündbar.

Nachdem die C. BKK ihre Überschuldung angezeigt hatte, ordnete das Bundesversicherungsamt mit Bescheid vom 4. Mai 2011 (Bl. 130 - 140 d. A.) deren Schließung zum 30.06.2011 an. Diese informierte den Kläger mit Schreiben vom 09.05.2011 (Bl. 5 und 6 d. A.) über den Schließungsbescheid und die sich aus ihrer Sicht daraus ergebende Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011. Unter dem 13.05.2011 unterbreitete der Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg dem Kläger ein Beschäftigungsangebot bei der Deutschen BKK, W. Standort Dresden als Sachbearbeiter für den Bereich Firmen- und Privatkunden (Vertrieb) mit einer Vergütung zwischen 2.700 - 4.100 EUR, für dessen Einzelheiten auf Bl. 174 ff. Bezug genommen wird. Der Kläger nahm dieses Beschäftigungsangebot nicht an.

Nach Anhörung des Personalrates kündigte die C. BKK das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19.05.2011 (Bl. 81d. A.) vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2011 und höchst vorsorglich zum 31.12.2011.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 30.11.2011, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht am 30.06.2011 beendet worden sei, sondern über den 30.06.2011 hinaus fortbestehe und dass es auch Kündigung vom 19.05.2011 nicht beendet worden sei.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf ein Urteil einer anderen Kammer des Arbeitsgerichts Berlin (33 Ca 7824/11) im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis ende nicht bereits aufgrund eines durch die Schließung der Krankenkasse bedingten Verlustes ihrer Rechtspersönlichkeit. Mit der Schließung sei die C. BKK als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht untergegangen, sondern bestehe bis zu ihrer Abwicklung als "Abwicklungsköperschaft fort. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ende auch nicht durch die Schließung der Beklagten nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V iVm § 164 Abs. 4 SGB V beendet worden. Bei verfassungskonformer Auslegung der Norm ergebe sich, dass eine gesetzliche Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit dem Zeitpunkt der Schließung der Kassen allenfalls dann eintreten könne, das gesetzlich vorgesehene "Unterbringungsverfahren" nach § 164 Abs. 3 SGB V entsprechend der dort geregelten Vorgaben durchgeführt worden sei. Dies wäre hier aber nicht der Fall. Die dem Kläger unterbreitete Beschäftigungsmöglichkeit könne schon nicht als Angebot aufgefasst werden, da das Arbeitsentgelt mit einer Spanne angegeben worden sei und auch die weiteren vertraglichen Konditionen wie Arbeitsort, konkrete Tätigkeit und Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten. Auch seien die genannten Bedingungen unzureichend. Das Arbeitsverhältnis habe auch nicht durch die beiden Kündigungen vom 19.05.2011 geendet, da ein wichtiger Grund hierfür nicht vorgelegen habe. Der Betrieb der Beklagten sei unstreitig nicht zum 30.06.2011 stillgelegt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am ...

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