Entscheidungsstichwort (Thema)

Schließung Betriebskrankenkasse. gesetzlicher Beendigungstatbestand. ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer. Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines ordentlich unkündbaren Beschäftigten bei Schließung einer Betriebskrankenkasse. Feststellungsklage bei unzureichender Durchführung des gesetzlich bestimmten Unterbringungsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Voraussetzung für die gesetzliche Beendigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses wegen Schließung einer Betriebskrankenkasse ist die ordnungsgemäße Durchführung des Unterbringungsverfahrens nach § 169 Abs. 3 SGB V.

 

Normenkette

SGB V § 155 Abs. 4, § 164 Abs. 3-4; GG Art. 12 Abs. 1 S. 1; SGB V § 155 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 9, § 164 Abs. 3 Sätze 3-4, Abs. 4 S. 1; BGB § 611 Abs. 1, § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 3 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.12.2011; Aktenzeichen 56 Ca 7903/11)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.12.2011 - 56 Ca 7903/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis wegen Schließung einer Krankenkasse auf gesetzlicher Grundlage oder durch Kündigung der Beklagten aufgelöst worden ist.

Der am ......1962 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 26.02.1987 beim Land Berlin in der dortigen Betriebskrankenkasse beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.01.1999 wurde das Arbeitsverhältnis mit der Betriebskrankenkasse Berlin weitergeführt, die mit Wirkung zum 01.01.2004 mit der BKK H. zur Beklagten fusionierte. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkasse vom 01.05.2010 Anwendung. Danach ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nur noch aus einem in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden Grund außerordentlich kündbar.

Nachdem die C. BKK ihre Überschuldung angezeigt hatte, ordnete das Bundesversicherungsamt mit Bescheid vom 4. Mai 2011 (Bl. 127 - 137 d. A.) deren Schließung zum 30.06.2011 an. Diese informierte den Kläger mit Schreiben vom 10.05.2011 (Bl. 8 und 9 d. A.) über den Schließungsbescheid und die sich aus ihrer Sicht daraus ergebende Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011. Unter dem 13.05.2011 unterbreitete der Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg dem Kläger ein Beschäftigungsangebot, was dieser nicht annahm.

Nach Anhörung des Personalrates (Bl. 140 ff. d. A.) kündigte die C. BKK das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19.05.2011 (Bl. 47 d. A.) vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2011 und höchst vorsorglich zum 31.12.2011.

In der Folgezeit schloss die Beklagte mit dem Kläger einen bis zum 31.03.2012 befristeten Arbeitsvertrag. Mit E-Mail vom 15.06.2011 an alle Mitarbeiter stellte die C. BKK klar, dass sie der Annahme eines Angebots nicht die Bedeutung eines Verzichts auf die Geltendmachung eventueller Rechte ihr gegenüber beimessen wolle. Bei der C. BKK und der C. BKK in Abwicklung handele es sich um unterschiedliche Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Erklärung eines Vorbehalts sei deshalb nicht erforderlich.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 07.12.2011, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht am 30.06.2011 beendet worden sei, sondern darüber hinaus fortbestehe und dass es weder durch die außerordentliche Kündigung vom 19.05.2011 zum 30.06.2011 beendet worden sei noch durch die weitere Kündigung vom selben Tag zum 31.12.2011 beendet werde. Den weiteren Antrag des Klägers, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände ende, sondern auf unbestimmte Zeit fortbestehe hat das Arbeitsgericht mangels Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage richte sich gegen die C. BKK, Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung, die mit der C. BKK identisch sei; lediglich der Körperschaftszweck habe sich mit der Schließung geändert. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei nicht durch die Schließung der Beklagten nach § 164 Abs. 4 SGB V beendet worden. Diese von der Beklagten vertretene Lesart der Vorschrift stelle eine so gravierende Absage an arbeitsrechtliche Standards dar, die sich in der Gesetzesbegründung nicht wieder finde. Vielmehr sei diese Norm entweder dahin auszulegen, dass sie lediglich die deklaratorische Aussage enthalte, die Arbeitsverhältnisse könnten zum Schließungszeitpunkt im Rahmen des allgemeinen Arbeitsrechts beendete werden. Oder aber es handele sich dabei um eine Beendigungsnorm, die nur dann greife, wenn dem Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot unterbreitet worden sei, das dieser aber nicht angenommen habe, wobei die Beendigung dann auch noch unter der Voraussetzung stehen könnte, d...

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