Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Säumnis bei plötzlicher Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Im Falle einer plötzlichen Erkrankung eines Rechtsanwalts mit folgender Verhandlungsunfähigkeit ist grundsätzlich das Anwaltszimmer der Rechtsanwaltskammer Berlin zu bemühen, um eine Vertretung im Termin zu gewährleisten.

2) Zur Vermeidung eines Zweiten Versäumnisurteils kann es erforderlich sein, auch einen juristischen Laien, der als Mitarbeiter des Rechtsanwalts tätig ist, den Antrag im Einspruchskammertermin stellen zu lassen.

 

Normenkette

ZPO §§ 514, 233, 340 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.01.2017; Aktenzeichen 48 Ca 5780/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das II. Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Januar 2017 - 48 Ca 5780/16 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

III. Der Gebührenwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.188,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 29. Juni 2016 sowie die Wirksamkeit eines Zweiten Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts.

Die Klägerin ist 28 Jahre alt (geb. .... 1988) und stand seit dem 22. Januar 2016 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten mit einem Bruttomonatsgehalt von 1.547,-- EUR bei 182 Stunden mtl. (entsprechend 8,50 EUR je Stunde). Nachdem die Klägerin am 31. März 2016 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten erhalten hatte, teilte sie dem Beklagten am 5. April 2016 eine bestehende Schwangerschaft mit, worauf die Parteien den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses vereinbarten.

Mit Schreiben vom 20. April 2016 beantragte der Beklagte die Zustimmung zur Kündigung der schwangeren Klägerin beim Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LaGetSi). Nachdem diese zunächst mit Bescheid vom 13. Mai 2016 abgelehnt wurde, wurde auf den Widerspruch des Beklagten am 29. Juni 2016 die Zustimmung erteilt. Darauf kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis noch am 29. Juni 2016 fristlos sowie hilfsweise fristgemäß innerhalb der Probezeit zum 13. Juli 2016. Die Kündigung wird damit begründet, dass die Klägerin sowohl während der Arbeitsunfähigkeit wie auch während eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes für einen anderen Betrieb (ihres Lebensgefährten) Arbeitsleistungen erbracht habe.

Der Klägervertreter erschien ebenso wie die persönlich geladene Klägerin nicht zum Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Berlin am 28. September 2016 um 9:00 Uhr. An diesem Tag um 8:00 Uhr ging per Telefax ein Antrag beim Arbeitsgericht ein, den Termin aufzuheben bzw. zu verschieben, weil der Klägervertreter wegen einer Magenerkrankung nicht in der Lage sei, den Termin wahrzunehmen. Darauf wurde im Kammertermin, zu dem der persönlich geladene Beklagte, dessen Prozessvertreterin und eine für die Klägerin geladene Dolmetscherin erschienen waren, ein neuer Kammertermin für den 12. Oktober 2016 anberaumt. Der Klägerinvertreter teilte im Termin am 12. Oktober 2016, zu dem die persönlich geladene Klägerin wiederum nicht, jedoch der persönlich geladene Beklagte und der für die Klägerin geladene Dolmetscher neben der Prozessbevollmächtigten des Beklagten erschienen waren mit, dass er an dem Tag keinen Antrag stellen werden. Zuvor waren durch den Beklagten informatorisch verschiedene Videos vorgeführt worden, die eine Tätigkeit der Klägerin auf zwei verschiedenen Märkten belegen sollten. Darauf erließ das Arbeitsgericht auf Antrag der Beklagten ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen die Klägerin, welches dem Klägerinvertreter am 21. Oktober 2016 zugestellt wurde. Auf den Einspruch der Klägerin vom 28. Oktober 2016, in dem lediglich angekündigt wurde, dass eine Einspruchsbegründung bis zum 4. November 2016 erfolgen werde, beraumte das Arbeitsgericht einen Einspruchskammertermin für den 11. Januar 2017 an. Am 10. Januar 2017 um 13:13 Uhr beantragte der Klägerinvertreter per Telefax, dass der Termin aufgehoben oder verschoben werden solle, da er mit einem grippalen Infekt an der Wahrnehmung des Termins am Folgetag verhindert sei. In einer ärztlichen Bescheinigung vom 10. Januar 2017 wurde die Verhandlungsunfähigkeit des Klägerinvertreters vom 10. Januar 2017 bis 12. Januar 2017 bestätigt.

Nachdem der Termin deshalb auf den 25. Januar 2017 um 10:30 Uhr verlegt worden war, teilte die Beklagtenvertreterin mit Schriftsatz vom 19. Januar 2017 mit:

"... wird wegen des neuen Einspruchskammertermins am 25.01.2017 vorsorglich gebeten, für den Fall einer erneuten krankheitsbedingten Verhinderung des gegnerischen Kollegen keine Terminsaufhebung zu veranlassen.

Zwar kann die plötzliche Erkrankung eines Rechtsanwalts ein unabwendbarer Zufall sein, der es rechtfertigt, den Einspruchstermin gemäß § 337 ZPO von Amts wegen zu vertagen, dies gilt aber nur für den Fall, dass der Termin trotz aller sonstigen Maßnahmen nicht eingehalten werden ka...

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