Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Beton- und Stahlbetonbauers bei Erfüllung des Tarifmerkmals “selbstständige Ausführung„. Anspruch auf Beitreibungskostenpauschale im Arbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Das Eingruppierungsmerkmal der Lohngruppe 4 BRTV "selbstständige Ausführung" ist dann erfüllt, wenn die Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung ausgeübt wird.
2. Auf die Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs "selbstständige Leistungen" im Sinne der öffentlichen Tarifverträge kommt es nicht an (a.A LAG Schleswig-Holstein 30.11.2016 - 6 Sa 194/16 - juris Rn. 80; LAG Mecklenburg- Vorpommern 18.05.2011 - 2 Sa 15/11 - juris Rn. 51).
3. Die Beitreibungskostenpauschale von 40,00 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB kann auch im Arbeitsverhältnis verlangt werden.
Normenkette
BRTV-Bau § 5 Nr. 2.4, Nr. 3; BGB § 288 Abs. 5; ArbGG § 12a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.11.2017; Aktenzeichen 60 Ca 2215/17) |
Tenor
I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. November 2017 - 60 Ca 2215/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers, Vergütungsdifferenzen für die Zeiträume September 2016 bis August 2017 und über die Zahlung von Verzugspauschalen.
Der Kläger ist auf Basis des Arbeitsvertrages vom 13.07.2015 (Bl. 6f d. A.) ab dem gleichen Tag bei dem beklagten Land als Arbeiter - Baufachwerker/Beton- und Stahlbetonbauer - in Vollzeit beschäftigt. Er ist seit 1982 ausgebildeter Beton- und Stahlbetonbauer mit einer baugewerblichen Stufenausbildung in der 2. Stufe. Tätig ist er an der K.-Schule/Oberstufenzentrum Bautechnik I, die vom Geltungsbereich des TV-L ausgenommen ist. Gemäß Ziffer 2 des Arbeitsvertrages findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV Bau) Anwendung. Der Kläger erhält den Gesamttarifstundenlohn der Lohngruppe 2 der Richtlinien zur Regelung der Löhne der Beschäftigten, die als Bauarbeiter an der K.-Schule Oberstufenzentrum Bautechnik I beschäftigt sind (Bl. 32f d. A.).
Bei der K.-Schule handelt es sich um eine so genannte Produktionsschule. Dort erfolgt die Ausbildung für künftige Beton- und Stahlbetonbauer. Die Schule übernimmt Bauaufträge des Landes Berlin und führt diese aus. Der Kläger arbeitet hierbei mit einer Gruppe von 4 - 8 Auszubildenden. Er ist ausnahmslos in der Fertigung bzw. Herstellung der Produkte auf unterschiedlichen Baustellen im Bereich der Beton- und Stahlbetonbauer eingesetzt. Als Bauvorarbeiter ist Herr P. zuständig, der mindestens telefonisch erreichbar ist. Von diesem erhält der Kläger Baupläne, die er zusammen mit den Auszubildenden abarbeitet. Daneben ist ein Fachlehrer für bis zu 14 Auszubildende zuständig. Weiterhin ist ein Polier vorhanden, dessen tatsächliche Anwesenheit zwischen den Parteien streitig ist.
Der Kläger hat behauptet, er führe die ihm übertragenen Aufgaben selbstständig aus. Er sei im streitrelevanten Zeitraum überwiegend mit den Auszubildenden allein tätig gewesen. Vor Ort, bei der praktischen Ausführung der einzelnen Arbeiten, sei er Ansprechpartner und Verantwortlicher für die Auszubildenden. Wegen seiner Berufserfahrung bedürfe es ihm gegenüber keiner etwaigen Anweisungen. Er arbeite nicht an der Seite der Auszubildenden, sondern mit diesen. Er müsse den Ausbildungsstoff individuell vermitteln. Die von Herrn P. ausgehändigten Baupläne würden teilweise nicht stimmen. Er korrigiere diese dann und setze sie um. Seine Tätigkeit beschränke sich nicht nur auf Teilbereiche, sondern auch auf sämtliche, auf den Baustellen anfallende Beton- und Stahlbetonarbeiten gemäß dem entsprechenden Ausbildungskatalog, was näher ausgeführt wird. Insofern verweist er auch auf die Wochenberichte vom 13.02.2017 - 18.08.2017 und die Tagesberichte vom 02.02.2017 - 18.04.2017 (Bl. 89 - 143 d. A.).
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.01.2017 nach der Lohngruppe 4 gemäß den Tarifverträgen für die gewerblichen Beschäftigten im Bauhauptgewerbe mit einem Gesamtstundenlohn von 15,74 Euro brutto bzw. ab dem 01.12.2017 von 16,76 Euro brutto zu vergüten;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 380,37 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2017 nebst Verzugspauschalen in Höhe von 160,00 Euro zu zahlen;
3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 307,04 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.03.2017 nebst Verzugspauschalen in Höhe von 80,00 Euro zu zahlen;
4. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 175,74 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.05.2017 nebst Verzugspauschalen in Höhe von 40,00 Euro zu zahlen;
5. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 75,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ...