Entscheidungsstichwort (Thema)
Kaufkraftausgleich für deutsche Ortskräfte
Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung des Kaufkraftausgleichs für deutsche Ortskräfte der Bundesrepublik Deutschland auf den für ins Ausland entsandte Mitarbeiter geltenden Prozentsatz ihres Einkommens ist weder gleichheits- noch sittenwidrig, auch wenn der Kaufkraftausgleich aufgrund der Entwicklung seinen Zweck nur teilweise zu erfüllen vermag.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 138 Abs. 1, § 612 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 3; TVBeschäftigteAusland
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 04.05.2011; Aktenzeichen 21 Ca 20059/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.05.2011 – 21 Ca 20059/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines Kaufkraftausgleichs für die Jahre 2007 bis 2010.
Der Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, trat am 1. Mai 1988 als Wächter beim Generalkonsulat Rio de Janeiro in die Dienste der Beklagten. Nach seinem Arbeitsvertrag (Ablichtung Bl. 27 und 28 GA) gilt „der jeweils für das Auswärtige Amt maßgebende Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Auslandsvertretungen beschäftigten deutschen nichtentsandten Arbeiter … zwischen den Vertragsparteien unmittelbar als vereinbart.” Sein Gehalt erhält der Kläger in Euro gezahlt.
Von der aus Anlass der Kündigung der TV Ang bzw. Arb Ausland zum 31. März 2000 eingeräumten Möglichkeit, seinen Arbeitsvertrag auf Ortsrecht umstellen zu lassen, machte der Kläger keinen Gebrauch. Sein Arbeitsverhältnis wird deshalb seit November 2006 auf der Grundlage des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten deutschen nichtentsandten Beschäftigten (TV Beschäftigte Ausland) vom 1. November 2006 durchgeführt.
Aufgrund einer allgemeinen Verweisung in Art. 1 § 2 Abs. 1 TV Beschäftigte Ausland richtete sich die Zahlung eines Kaufkraftausgleichs (KKA) zunächst nach § 45 (Bund) des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Verwaltung – (BT-V) i.V.m. §§ 7, 54 BBesG (a.F.). Diesem Kaufkraftausgleich wurden in der Vergütungsgruppe des Klägers 65 vom Hundert der Dienstbezüge nach § 52 BBesG zu Grunde gelegt. An die Stelle dieser Regelung trat mit Wirkung vom 1. Juli 2010 aufgrund Art. 2 § 1 Abs. 3 ÄndTV Nr. 1 vom 24. November 2009 eine spezielle Verweisung in Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland, wonach nunmehr § 55 BBesG (n.F.) entsprechend gilt. Dieser bestimmt in Absatz 3 Satz 1 den KKA auf 60 vom Hundert des Grundgehalts, der Anwärterbezüge, des Familienzuschlags und des Auslandzuschlags. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Festsetzung des KKA nach dem BBesG vom 24. September 2002 und die Verfahrensregelung zur Ermittlung der Teuerungsziffern für den KKA vom 19. Januar 2005 hatte die Beklagte als Anlagen zu ihrem Runderlass 131-31 vom 11. Oktober 2006 (Ablichtung Bl. 241 – 244R GA) den Beschäftigten aller Auslandsvertretungen zur Kenntnis gegeben.
Mit Schreiben vom 15. September 2010 (Ablichtung Bl. 29 und 30 GA) forderte der Kläger eine Neuberechnung des KKA auf einer dem tatsächlichen Konsumverhalten einer Ortskraft annähernd entsprechenden Basis.
Seine Klage auf Zahlung von 48.111,60 EUR weiteren Kaufkraftausgleichs für die Jahre 2007 bis 2010, hilfsweise Zustimmung zu einer zum 1. Januar 2007 rückwirkenden Vereinbarung über die Gewährung eines KKA, hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anwendung der in Bezug genommenen Regelung des BBesG zum KKA erfolge auf entsandte Arbeitnehmer wie Ortskräfte in gleicher Weise. Dass nach § 2 TV Beschäftigte Ausland § 45 (Bund) TVöD BT-V und die Regelung des BBesG zur Berechnung des KKA lediglich „entsprechend” anzuwenden gewesen seien und nunmehr nach § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland § 55 BBesG „entsprechend” gelte, eröffne der Beklagten schon kein Ermessen bei der Bestimmung der Bezugsgröße für den KKA. Mit diesem Verständnis seien die Tarifverträge auch nicht gleichheitswidrig, weil nicht ersichtlich sei, dass die Gleichbehandlung von entsandten und nichtentsandten Beschäftigten bei der Regelung des KKA den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien überschreite.
Der Hilfsantrag sei zwar hinreichend bestimmt. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung bestehe jedoch nicht. Zum Wegfall der subjektiven Geschäftsgrundlage habe der Kläger nichts vorgetragen. Auch eine für den Kläger unzumutbare schwere Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung sei nicht eingetreten, weil er noch immer mehr als vergleichbare Beschäftigte verdiene, die seit dem 1. April 2000 Arbeitsverträge zu ortsüblichen Bedingungen geschlossen hätten.
Gegen dieses ihm am 15. Juni 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Juli 2011 eingelegte und am 15. August 2011 begründete Berufung des Klägers. Er...