Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung wegen Veruntreuung von Firmengeldern. Schadensersatzanspruch des geschädigten Arbeitgebers. Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen veruntreuender Unterschlagung durch einen Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
Der Freispruch eines Arbeitnehmers vom Vorwurf der Veruntreuung von Geldern entfaltet im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Bindungswirkung. Das gilt umso mehr, wenn der Freispruch lediglich deshalb erfolgt, weil das Gericht nähere Modalitäten der Veruntreuung nicht hinreichend feststellen konnte.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, § 823 Abs. 2; StGB § 266 Abs. 1 Alt. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 28.10.2011; Aktenzeichen 5 Ca 18070/09) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.10.2011 - 5 Ca 18070/09 und 5 Ca 21753/09 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird festgestellt, dass die Verpflichtung des Klägers zur streitgegenständlichen Leistung des Schadensersatzes auf einer vorsätzlichen, unerlaubten Handlung beruht.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Anschlussberufungsverfahrens bei einem Streitwert von 217.965,00 Euro in der 2. Instanz.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses wegen einer behaupteten veruntreuenden Unterschlagung. Widerklagend verlangt die Beklagte Schadensersatz der unterschlagenden Summe sowie in II. Instanz im Wege der Anschlussberufung die Feststellung, dass die Verpflichtung des Klägers zum Schadensersatz auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht.
Die Beklagte wirft dem bei ihr aufgrund des befristeten Arbeitsvertrages vom 14.11.2007 seit dem 19.11.2007 zunächst als Kassenmitarbeiter, ab dem 01.04.2008 als Kassenerster beschäftigten Kläger vor, im Zeitraum von Dezember 2008 bis August 2009 in 25 Fällen Kassen aktiviert zu haben, die ansonsten bei seiner Abwesenheit von keinem anderen Mitarbeiter benutzt wurden, und daraus Geld in Höhe von insgesamt 202.409,02 Euro entnommen zu haben, ohne dies in so genannten Abschöpfprotokollen vermerkt zu haben, während er die entnommenen Beträge als solche (so genannte "zusätzliche Zahlungsmittel") abends wieder in die Kassenabrechnungen eingab, damit seine Unterschlagungen nicht auffielen.
Das Amtgericht Tiergarten hat nach einer Beweisaufnahme, in der lediglich die Zeugin F., eine Sicherheitsmitarbeiterin der Beklagten, die die Vorgänge in der betreffenden Filiale nach dem Fehlen des Geldes überprüfte, vernommen wurde, den Kläger freigesprochen mit der Begründung, dass fast sämtliche Vorsichtsmaßnahmen und Anweisungen hinsichtlich des Umgangs mit Bargeld nicht eingehalten worden seien, und dass nicht mehr festgestellt werden konnte, wann, wie, in wie vielen Abschnitten und vom wem das Geld an sich genommen wurde (vgl. die Beweisaufnahme Bl. 104 ff. der Strafakte 34 Js 4582/09, insbesondere Bl. 106 ff., sowie die Urteilsbegründung Bl. 115 der Strafakte 34 Js 4582/09).
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 28.10.2011 das am 12.03.2010 gegen den Kläger verkündete Versäumnisurteil insoweit aufrechterhalten als die Kündigungsschutzklage abgewiesen und der Kläger zur Zahlung von 192.150,00 Euro nebst Zinsen verurteilt wurde, im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen.
Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche Kündigung mit sofortiger Wirkung beendet worden sei. Es liege ein zum Nachteil des Arbeitsgebers begangenes Eigentums- oder Vermögensdelikt vor, da sich aus dem gesamten Sachvortrag ergäbe, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zumindest 192.150,00 Euro aus den Kassen der Beklagten an sich genommen habe. Dies folge daraus, dass die für den streitgegenständlichen Zeitraum geführten Abschöpfungsprotokolle die vom Kläger als zusätzliche Zahlungsmittel in die Kasse eingegebenen Summen nicht auswiesen. Als zusätzliche Zahlungsmittel habe der Kläger diese Summen in die Kasse aber nur dann eingeben können, wenn er sie durch Entnahme aus den Geldbomben vorher erfasst hätte. Der Kläger lege in keiner Weise näher da, wie er ansonsten die von ihm manuell jeweils vor Schließen der Kassen eingegebenen zusätzlichen Zahlungsmittel erfasst haben wolle. Der Kläger weise selbst zutreffend darauf hin, dass sich das zusätzlich einzugebende Zahlmittel im Laufe der Woche erhöhe. Damit er dies aber fehlerfrei in die Kasse eingeben könne, müsse er zuvor die der Kasse durch die Abschöpfung zuvor entnommenen Barmittel feststellen. Dies könne er nur durch Zählung der mit der "Bombe" ihm als Kassenersten zugesandten der Kasse entnommenen Barbeträge. Da diese Abschöpfung für mehrere Kassen mehrmals am Tag erfolge, sei es zur Eingabe des zusätzlichen Zahlungsmittels erforderlich, diese Summen zu notieren, was mittels der Abschöpfungsprotokolle er...