Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation einer Sozialkasse für eine Klage auf Rückforderung von Gutschriften auf einem Beitragskonto
Leitsatz (amtlich)
Die Übertragung der Aktivlegitimation auf die ULAK durch § 3 Absatz 3 Satz 1 VTV besteht wegen Beiträgen und erstreckt sich nicht auf die Rückforderung von Leistungen. Im Falle der Rückforderung von durch eine andere Kasse erbrachten Leistungen steht die Vorschrift daher der Prozessführungsbefugnis der leistungserbringenden Kasse nicht entgegen.
Normenkette
ZPO § 51 Abs. 1; VTV §§ 3, 12, 25; TV Sozialaufwand § 5; VTV § 3 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.01.2023; Aktenzeichen 15 Ca 80445/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Januar 2023 - 15 Ca 80445/22 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.754,71 EUR zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückforderung von Gutschriften auf dem Beitragskonto.
Der Kläger ist ein wirtschaftlicher Verein, der als Sozialkasse des Berliner Baugewerbes aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge Aufgaben im Baugewerbe für das Gebiet des Landes Berlin wahrnimmt.
Der "Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)" vom 28. September 2018 bestimmt:
"§ 3 Sozialkassen
(1) Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) mit Sitz in Wiesbaden erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren und hat Anspruch auf die zur Finanzierung dieser Verfahren festgesetzten Beiträge. ... Für Betriebe mit Sitz im Land Berlin erbringt die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (Soka-Berlin) anstelle der ULAK die in Satz 1 beschriebenen Leistungen; sie hat gegenüber diesen Betrieben Anspruch auf die zur Finanzierung dieser Leistungen festgesetzten Beiträge. Bestimmungen dieses Tarifvertrages, in denen auf die ULAK Bezug genommen wird, gelten mit Ausnahme dieses Paragraphen bei Zuständigkeit ... der Soka-Berlin entsprechend. ...
(3) Die ULAK zieht als Einzugsstelle ihre eigenen Beiträge ... und diejenigen ... der Soka-Berlin ein. ...
§ 12 Erstattung der Urlaubsvergütung
(1) Die ULAK erstattet dem Arbeitgeber durch Banküberweisung oder Gutschrift auf dem Beitragskonto nach § 18 Abs. 2 monatlich die von ihm an den Arbeitnehmer ausgezahlte Urlaubsvergütung ... ...
(2) Wird ein Arbeitgeber rückwirkend zur Meldung und Beitragszahlung herangezogen, so besteht Anspruch auf Erstattung der den Arbeitnehmern in den rückwirkend erfassten Abrechnungszeiträumen gewährten Urlaubsvergütungen, höchstens jedoch in Höhe der in § 8 BRTV für den jeweiligen Abrechnungszeitraum festgelegten Leistungen und nur für solche Abrechnungszeiträume, für die Beiträge entrichtet worden sind. ...
§ 25 Rückforderung von Leistungen
Hat eine Kasse dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer gegenüber Leistungen erbracht, auf die dieser zum Zeitpunkt der Antragstellung keinen tarifvertraglichen Anspruch hatte oder die aufgrund unwahrer Angaben erfolgt sind, so ist die Kasse berechtigt, die von ihr gewährten Leistungen zurückzufordern und für die Zeit zwischen Leistungsgewährung und Rückzahlung Zinsen entsprechend § 20 zu fordern. ...."
Der "Tarifvertrag über Sozialaufwandserstattung im Berliner Baugewerbe - gewerbliche Arbeitnehmer -" vom 17. Dezember 2002 (TV Sozialaufwand) bestimmt:
"§ 2 Sozialaufwandserstattungssatz
(1) Die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes erstattet dem Arbeitgeber neben ausgezahlten Urlaubsvergütungen und Lohnausgleichsbeträgen nach den Bestimmungen des VTV einen Zuschlag auf die ausgezahlten Beträge als Ausgleich für die von ihm zu leistenden Sozialaufwendungen (Sozialaufwandserstattungssatz). Der Sozialaufwandserstattungssatz beträgt 45 % auf die ausgezahlten Urlaubsvergütungen und 20 % auf die ausgezahlten Lohnausgleichsbeträge. ...
§ 5 Rückforderung von Leistungen
Hat die Sozialkasse dem Arbeitgeber gegenüber Leistungen erbracht, auf die dieser zum Abrechnungszeitpunkt keinen Anspruch hatte oder die aufgrund unwahrer Angaben erfolgt sind, so ist die Sozialkasse berechtigt, diese zurückzufordern und hat für die Zeit zwischen Leistungsgewährung und Rückzahlung Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe."
Die Beklagte unterhielt einen baugewerblichen Betrieb.
Am 11. Februar 2020 erfolgte eine Nachaufnahme der arbeitnehmerbezogenen Daten für den Zeitraum von Dezember 2014 bis Dezember 2019 durch die SOKA-BAU als Dachmarke auch der ULAK.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 teilte die SOKA-BAU der Beklagten mit, dass sie im Ergebnis der Prüfung das Sozialkassenbeitrags- und Winterbeschäftigungs-Umlage-Konto berichtigt habe. In einer tabellarischen Übersicht teilte sie die Bruttolohnsummen für 2014 bis 2019 mit und die sich daraus ergebenden Beiträge zur Sozialkasse. Zum 18. Dezember 2019 wurde das Beitragskonto der Beklagten geschlossen im Hinblick auf die seit diesem Zeitpunkt bestehende Mitgliedschaft der ...