Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit einer Betriebskrankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Eine Betriebskrankenkasse und eine nachfolgende Betriebskrankenkasse in Abwicklung sind keine unterschiedlichen Rechtspersönlichkeiten.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; SGB V § 155 Abs. 4 S. 9, § 164 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.11.2011; Aktenzeichen 33 Ca 8147/11) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.11.2011 - 33 Ca 8147/11 - wird auf ihre Kosten bei unverändertem Streitwert in der II. Instanz zurückgewiesen.
II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die gesetzliche Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses sowie um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweisen Kündigung.
Die Klägerin war seit dem 13.10.1988 beim Land Berlin im Bereich der Betriebskrankenkasse (BKK) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging zum 01.01.1999 auf die BKK Berlin über. Zum 01.01.2004 schloss sich die BKK Berlin mit der BKK Hamburg zusammen. Aus dieser Fusion entstand die Beklagte, die zum 01.01.2005 erneut mit der BKK B. und Be. BKK fusionierte.
Bei der Beklagten handelte es sich um eine sog. geöffnete Betriebskrankenkasse, die etwa 400 Arbeitnehmer beschäftigte. Die Klägerin war zuletzt als Sachbearbeiterin im Bereich Meldungen/Familienversicherungen gegen eine Bruttomonatsvergütung von 3.669,00 Euro bei ihr tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge für die Betriebskrankenkasse Anwendung.
Am 07.04.2011 zeigte der Vorstand der Beklagte dem Bundesversicherungsamt die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beklagten an. Das Bundesversicherungsamt ordnete mit Bescheid vom 04.05.2011 die Schließung der Beklagten zum Ablauf des 30.06.2011 und die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Mit Schreiben vom 09.05.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Schließung zum 30.06.2011 ende.
Mit Schreiben vom 20.04.2011 und 04.05.2011 unterrichtete die Beklagte den bei ihr gebildeten Hauptpersonalrat darüber, dass sie die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter vorsorglich zum 30.06.2011 und höchstvorsorglich ordentlich fristgemäß bzw. bei den tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern außerordentlich mit sozialer Auslauffrist kündigen werde. Der Hauptpersonalrat erhob hiergegen mit Schreiben vom 17.05.2011 Einwendungen. Mit zwei Schreiben vom 20. und 23.05.2011 nahm die Beklagte hierzu Stellung und forderte den Hauptpersonalrat erfolglos auf, einen Terminsvorschlag für ein Gespräch zu benennen. Wegen des genauen Inhalts der genannten Schreiben wird auf die zur Akte gereichten Kopien (Bl. 103 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 19.05.2011 zum 30.06.2011, höchstvorsorglich zum "nächstmöglichen Termin". Nach Berechnung der Beklagten handele es sich hierbei um den 31.12.2011.
Die Beklagte firmiert seit ihrer Schließung als "C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung". Die Klägerin schloss am 15./19.06.2011 für die Zeit ab dem 01.07.2011 einen bis zum 30.06.2012 befristeten Arbeitsvertrag als Sachbearbeiterin mit der "C. BKK Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung". Dieser hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Präambel
Die Arbeitgeberin ist eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung, die mit dem den Abwicklungsarbeiten der mit Ablauf des 30. Juni 2011 geschlossenen C. BKK betraut ist. Die Arbeitgeberin ist nicht die Rechtsnachfolgerin der C. BKK."
Mit ihrer am 30.05.2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die gesetzliche Beendigung und die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 25.11.2011 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.06.2011 fortbesteht und auch durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2011 weder zum 30.06.2011 aufgelöst wurde, noch zum 31.12.2011 aufgelöst werden wird. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die zulässige Klage auch begründet sei. Es könne dahinstehen, ob der gesetzliche Beendigungstatbestand des § 164 Abs. 4 S. 1 SGB V iVm. § 155 Abs. 4 S. 9 SGB V ("Die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, die nicht nach Abs. 3 untergebracht werden, enden mit dem Tag der Auflösung oder Schließung") auch für ordentlich kündbare Arbeitnehmer wie die Klägerin Anwendung finde. Jedenfalls für den Fall der (befristeten) Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer zum Zweck der Abwicklung müsse § 164 Abs. 4 S. 1 SGB V verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass diese Arbeitsverhältnisse nicht kraft Gesetzes endeten.
Die Kündigung der Beklagten sei weder als ordentliche noch als außerordentliche Kündigung wirksam. Zwar stelle die Betriebsstilllegung zumindest einen betriebsbedingten Grund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG dar. Vorliegend werde der Betrieb aber weder zum 30.06.2011 noch zum 31.12.201...