Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungszugang
Leitsatz (amtlich)
Eine schriftliche Kündigungserklärung, die um 10:15 Uhr in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers geworfen wird, geht diesem noch am selben Tag zu, auch wenn die Post bei ihm üblicherweise schon zwischen 08:00 Uhr und 08:30 Uhr zugestellt wird.
Normenkette
BGB § 130 Abs. 1 S. 1, § 622 Abs. 3; ZPO § 138 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 18.01.2010; Aktenzeichen 19 Ca 18519/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18.01.2010 – 19 Ca 18519/09 – dahin geändert, dass festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht vor dem 14.10.2009 aufgelöst worden ist.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger stand seit dem 1. April 2009 als Bautechniker in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. In § 1 Abs. 2 seines Anstellungsvertrages (Ablichtung Bl. 7-10 d. A.) war eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart.
Mit Schreiben vom 16. September 2009 (Ablichtung Bl. 13 und 14 d. A.) sprach die Beklagte dem Kläger eine Änderungskündigung zum 31. Januar 2010 aus, der sie mangels ausdrücklicher Zustimmung des Kläger mit Schreiben vom 29. September 2009 (Ablichtung Bl. 10 d. A.) eine Beendigungskündigung zum 13. Oktober 2009 folgen ließ.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die gegen beide Kündigungen und auf vorläufige Weiterbeschäftigung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger sei die Kündigung am 30. September 2009 um 10:15 Uhr zugegangen, als die erforderliche Wartezeit des Kündigungsschutzprozesses noch nicht abgelaufen gewesen sei. Den zu dieser Zeit erfolgten Einwurf in seinen Briefkasten könne der Kläger nicht wirksam mit Nichtwissen bestreiten, weil ein eigener Briefkasten stets Gegenstand der eigenen Wahrnehmung sei.
Gegen dieses ihm am 4. März 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. April 2010, dem Dienstag nach Ostern, zugestellte und am 3. Mai 2010 begründete Berufung des Klägers. Er verweist darauf, dass er nicht jederzeit eine Wahrnehmung vom Inhalt seines im Hausflur aufgehängten Briefkastens habe, der von ihm am 30. September 2009 auf dem Weg zum Arzt gegen 09:30 Uhr geleert worden sei. Es könne gut sein, dass der Bote der Beklagten das Kündigungsschreiben versehentlich in einen daneben befindlichen Briefkasten geworfen habe, dessen Besitzer ihn erst am Abend oder am Morgen des nächsten Tages in seinen Briefkasten getan habe.
Der Kläger beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 29. September 2009, zugegangen am 1. Oktober 2009, nicht aufgelöst worden sei,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Änderungskündigung mit Schreiben vom 16. September 2009, zugegangen am 25. September 2009, nicht zum 31. Januar 2010 aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe,
die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit den Antrag zu 1. zu verurteilen, ihn ab dem 14. Oktober 2009 zu den bisherigen Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 12. März 2009 als Bautechniker mit den Aufgabenbereichen
- • brandschutztechnische Beratungen
- • Erstellung von brandschutztechnischen Gutachten und Stellungnahmen
- • Überprüfung bzw. Abnahme von Brandschutzmaßnahmen
- • Beurteilung des Brandverhaltens von Baustoffen
- • Arbeiten auf dem Gebiet des Brandschutzes auf Antrag
bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, den Kläger am 29. September 2009 telefonisch darauf hingewiesen zu haben, dass mangels einer Antwort auf die Änderungskündigung mit einer ordentlichen Kündigung innerhalb der Probezeit zu rechnen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Gericht hat den Zeugen R. uneidlich vernommen. Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 11. Juni 2010 (Bl. 95 und 96 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die gem. § 222 Abs. 2 ZPO am Dienstag nach Ostern fristgemäß eingelegte und sodann fristgemäß und formgerecht begründete Berufung des Klägers ist nur in geringem Umfang begründet.
1.1 Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 29. September 2009 am 14. Oktober 2009 aufgelöst worden.
1.1.1 Das Kündigungsschreiben vom 29. September 2009 ist am folgenden Tag um 10:15 Uhr in den Briefkasten des Klägers geworfen worden, wie die Beweisaufnahme ergeben hat.
1.1.1.1 Die Beweisaufnahme war erforderlich, weil sich der Kläger gem. § 138 Abs. 4 ZPO zulässigerweise mit Nic...