Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialkassenpflicht im Baugewerbe aufgrund des Sozialkassenverfahrensicherungsgesetzes
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelungen des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassen im Baugewerbe vom 16.05.2017 (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz -SoKaSiG) verletzen kein höherrangiges Recht.
Normenkette
SokaSiG § 7 Abs. 1; VTV-Bau §§ 15-16, 18; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 9 Abs. 3, Art. 19 Abs. 1, 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 01.06.2017; Aktenzeichen 64 Ca 84359/16) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Juni 2017 - 64 Ca 84359/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Beklagte betreibt mit den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern Trockenbau.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von Beiträgen auf der Grundlage der seitens der Beklagten vorbehaltlich erfolgten Meldung für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für die Monate Mai 2016 bis Juli 2016 verlangt. Da der Betrieb der Beklagten vom räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des § 1 VTV-Bau erfasst werde, bestehe eine Beitragspflicht. Die nach der Neuregelung in § 5 Abs. 1 a TVG erfolgte Allgemeinverbindlicherklärung des VTV-Bau vom 3. Mai 2013 in den maßgeblichen Fassungen sei wirksam. Im Übrigen könne der Anspruch auf das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 25. Mai 2017 (Soka-SiG) gestützt werden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.446,70 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, für die Forderung gebe es keine Anspruchsgrundlage. Sie sei nicht tarifgebunden. Die Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV-Bau seien unwirksam, das hierfür erforderliche öffentliche Interesse nicht gegeben. Das Soka-SiG sei verfassungswidrig. Es handle sich um ein rückwirkendes Einzelfallgesetz, das zudem die Tarifautonomie ausheble.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Beklagte durch Urteil vom 1. Juni 2017 antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe nach §§ 15, 16 und 18 Abs. 1 VTV- Bau vom 3. Mai 2013 in der jeweils gültigen, für allgemeinverbindlich erklärten Fassung Anspruch auf die der Höhe nach nicht weiter bestrittenen Beiträge. Das Verfahren sei nicht aufgrund der bestrittenen Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung auszusetzen, da der Anspruch gleichermaßen auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Soka-SiG gestützt werden könne.
Gegen dieses ihr am 23. Juni 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Berlin hat die Beklagte am 24. Juli 2017 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am Montag, den 25 September 2017 begründet.
Das Verfahren sei im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung vom 4. Mai 2016 auszusetzen, es bestünden ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit dieser Allgemeinverbindlicherklärung. Auf das Soka-SiG könne der Anspruch nicht gestützt werden, da dieses gegen das Verbot echter Rückwirkung verstoße. Der politische Wille, eine Insolvenz des Klägers zu verhindern, rechtfertige keinen Zugriff auf die Beklagte.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 64 Ca 84359/16 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der streitgegenständliche Anspruch sei gegeben, da die Beklagte unstreitig einen baugewerblichen Betrieb im Sinne des VTV-Bau unterhalte. Die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages für den maßgeblichen Zeitraum sei wirksam, im Übrigen bestehe der Anspruch nach dem entgegen der Auffassung der Beklagten verfassungskonformen Soka-SiG.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig.
Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b) ArbGG statthafte Berufung ist frist- und formgerecht gem. § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § § 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II. Die Berufung ist nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, für die Zeit von Mai 2016 bis Juli 2016 Sozialkassenbeiträge zu zahlen.
1. Der Anspruch des Klägers auf die Beiträge ergibt sich jedenfalls aus § 7 Abs. 1 Soka-SiG in Verbindung mit den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen. Hiernach gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 in der aus der Anlage 26 ersichtlichen Fassung in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Zeitraum vom...