Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte Kündigung. Arbeitszeitbetrug. kein Schaden. Wirksamkeit der fristlosen Kündigung wegen Falschangabe in der elektronischen Zeiterfassung bei Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Ableistung von Überstunden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nicht jede Falschangabe in der elektronischen Zeiterfassung (hier vier Vorfälle im Umfang von ca. 1 Stunde) rechtfertigt eine ordentliche Kündigung im Sinne des § 1 KSchG.

2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zur Ableistung von 10 Überstunden im Monat ohne (weitere) Vergütungszahlung verpflichtet ist und dieses Kontingent nicht ausgeschöpft wird.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 26.01.2012; Aktenzeichen 1 Ca 17434/11)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 1 Ca 17434/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 1. November 2011 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger beendet hat und ob der Kläger weiterzubeschäftigen ist.

Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhaltes und des Vorbringens der Parteien in der I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger hat zuletzt unter Rücknahme eines allgemeinen Feststellungsantrages beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die am 03.11.2011 zugegangenen Kündigungen vom 01.11.2011 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Fertigungsleiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 26. Januar 2012 der Klage stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat dies damit begründet, dass es schon an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB fehle. Hinsichtlich des Vorwurfes des Arbeitszeitbetruges sei der Vortrag der Beklagten unsubstanziiert. Insofern mangele es an Angaben, an welchen Tagen der Kläger sich wie lange während seiner Arbeitszeit vom Betriebsgelände entfernt bzw. gefrühstückt haben soll. Ebenso unsubstanziiert sei der Vorwurf, der Kläger habe einen Kollegen beleidigt. Soweit die Beklagte behaupte, der Kläger habe sich in einem Personalgespräch rüde und aggressiv geäußert, sei der Vortrag vollständig unsubstanziiert. Der Vorhalt der Beklagten, der Kläger habe die Beklagte verlassen wollen, stelle keine Pflichtverletzung dar. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, im Laufe des Gespräches am 31. Oktober 2011 sich geweigert zu haben, eine rechtzeitige Einteilung der Mitarbeiter an den Maschinen vorzunehmen, reiche auch dies nicht für eine fristlose Kündigung aus. Insofern hätte es regelmäßig zuvor einer Abmahnung bedurft. Soweit die Beklagte diese für entbehrlich hält, weil mit dem Kläger bereits mehrfach zuvor Gespräche zu diesem Thema geführt worden seien, sei dieser Vortrag wiederum vollständig unsubstanziiert. Auch könnten mehrere Ermahnungen nicht eine Abmahnung ersetzen. Aus den gleichen Gründen sei auch die ordentliche Kündigung unwirksam. Auch insofern fehle es an einer Substantiiertheit der Vorwürfe sowie an einer notwendigen Abmahnung.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 6. Februar 2012 zugestellt worden. Die Berufung ging am 29. Februar 2012 beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung erfolgte am 5. April 2012.

Die Beklagte behauptet nunmehr, der Kläger habe am 24., 29., 30. und 31. August 2011 das Betriebsgelände verlassen, ohne sich vorher auszuloggen. Darüber hinaus habe der Kläger sich mit diesem Verhalten auch noch gegenüber Mitarbeitern gebrüstet. Es liege eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung (Arbeitszeitbetrug) vor, so dass eine Abmahnung entbehrlich sei. Auch eine Interessenabwägung könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da der junge Kläger als Fertigungsleiter Vorbildfunktion gehabt habe. Die Hartnäckigkeit, mit der der Kläger den Weisungen des Geschäftsführers am 31. Oktober 2011 nicht nachgekommen sei, sei so eindeutig, dass es auch insofern keiner Abmahnung bedurft hätte. Soweit erstinstanzlich die Beleidigung durch den Kläger und dessen Verhalten im Rahmen von Verhandlungen bzw. im Rahmen des Personalgesprächs erwähnt worden seien, solle damit lediglich die Eignung des Klägers als Fertigungsleiter infrage gestellt werden. Das Verhalten des Klägers rechtfertige auf jeden Fall eine ordnungsgemäße Kündigung. Der Beschäftigungsantrag sei nicht begründet, da es bei der Beklagten keine Position als Fertigungsleiter gebe. Soweit der Kläger behauptet, als Fertigungsleiter tätig gewesen zu sein, gehe dieser Beschäftigungsanspruch ins Leere, da auch im vergangenen Jahr die Leitung lediglich 30 % der Arbeitszeit des Kläger ausgemacht haben dürfte.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hä...

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