Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Rechts auf Berufung auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer
Leitsatz (amtlich)
Das Recht, sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer zu berufen, verwirkt, wenn 4 Jahre nach dem Betriebsübergang und der Akzeptanz dieses Betriebsübergangs in einem rechtskräftigen Kündigungsschutzverfahren mit dem Betriebserwerber erstmals der Betriebsübergang angezweifelt wird.
Normenkette
BGB § 613a; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.11.2015; Aktenzeichen 41 Ca 8640/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.11.2015 - 41 Ca 8640/15 - dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass zwischen den Parteien über den 31.03.2011 hinaus ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat und nicht besteht.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer beim Arbeitsgericht Berlin am 19.06.2015 anhängig gemachten Klage um die Feststellung, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis über den 31.03.2011 nicht bestanden hat und nicht besteht.
Die Klägerin betrieb in Deutschland drei Produktionsstandorte in Oberstenfeld, in Niederorschel und in Berlin, in welchen Industrieprodukte, insbesondere Holz- und Kunststoffprodukte, hergestellt wurden. Im Werk Berlin wurden durchgehend Fassaden- und Balkonprofile produziert. Der Beklagte war bei der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin an dem in Berlin gelegenen Produktionsstandort, in welchem ein eigener Betriebsrat gebildet worden war und eine eigene Werksleitung bestand, als Mitarbeiter beschäftigt. Im Oktober 2010 vereinbarten die Klägerin und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, der die Übernahme aller Arbeitnehmer durch eine neu zu gründende Gesellschaft zum Gegenstand hatte. Im März 2011 schloss die Klägerin mit der neu gegründeten Industriewerke W. GmbH & Co. KG, welche am 20.06.2011 in das Handelsregister beim Amtsgericht Stuttgart eingetragen wurde, eine "Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsfortführung", welche im Abschnitt A Regelungen über die Lohnfertigung und im Abschnitt B Regelungen über die Betriebsführung im Übrigen enthält. Im Abschnitt A ist unter § 1 der Vereinbarung geregelt, dass die Industriewerke W. GmbH & Co. die komplette Produktion der W.produkte an allen drei inländischen Standorten ab dem 1. April 2011 in Lohnfertigung weiterführt und dass die Vergütung der erbrachten Leistungen anhand der nachgewiesenen Lohnkosten zuzüglich eines Aufschlags zu den Bruttolohnsummen von 3 % erfolgt. Im Abschnitt B ist unter § 6 geregelt, dass die Industriewerke W. GmbH & Co. KG darüber hinaus für die Klägerin ab dem 1. April 2011 die Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebes an allen drei inländischen Standorten nach den Vorgaben der Klägerin mittels Geschäftsbesorgungsvertrag übernimmt. Unter § 7 ist vereinbart, dass die Industriewerke W. GmbH & Co. KG bei ihrer Tätigkeit gemäß § 6 ausschließlich für Rechnung und im Namen der Klägerin handelt, sofern die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Herstellung der W.-Produkte ausgeführt wird, für welche die Klägerin Patentrechte und das Knowhow besitzt. Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf die als Anlage K 7 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.09.2015 eingereichte Kopie verwiesen (vgl. Bl. 112 ff. d. A.).
Zum 31. Dezember 2010 bzw. 31. März 2011 waren in Berlin insgesamt 34 Mitarbeiter beschäftigt, davon 27 gewerblich und 7 im Angestelltenverhältnis. Mit Schreiben vom 1. März 2011 setzte die Klägerin den Beklagten sowie die weiteren am Berliner Produktionsstandort beschäftigten und von der genannten Vereinbarung betroffenen Arbeitnehmer über den "Übergang" ihrer Arbeitsverhältnisse in Kenntnis. Dort heißt es auszugsweise wie folgt:
"Sehr geehrter ...
Wir wollen sie heute darüber informieren, dass Ihr Arbeitsverhältnis von der Firma W. GmbH & Co. KG ... auf die Firma Industriewerke W. GmbH & Co. KG übergehen wird.
...
Über diesen Betriebsübergang informieren wir Sie hiermit, wie das Gesetz gemäß § 613 a Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch uns verpflichtet:
Es ist geplant, dass die Firma Industriewerke W. ... ab dem 01.04.2011 die Fertigungsaktivitäten der Firma W. GmbH & Co. KG im Sinne entsprechend des Unternehmenszwecks im Sinne einer Lohnfertigung sämtlicher Fertigungsaktivitäten übernimmt, ferner übernimmt sie die administrativen Funktionen, insbesondere Forschung und Entwicklung, Logistik, Einkauf, Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Instandhaltung für die W. GmbH & Co. KG. Bei der Firma W. GmbH & Co. KG verbleiben das Immobilien-, Anlage-, und Umlaufvermögen sowie die Patente und Lizenzverträge. Diese Vermögenswerte werden der neuen Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung gestellt.
Zum geplanten Stichtag 01.04.2011 gehen sä...