Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenrechnung von Zeiten aus zwei Arbeitsverhältnissen. Anwendung des KSchG bei unmittelbar anschließendem Arbeitsverhältnis. Unbeachtlichkeit der "juristischen Sekunde" bei Wartezeit nach KSchG
Leitsatz (redaktionell)
Wird ein Arbeitsverhältnis zum 15. eines Monats einvernehmlich aufgelöst und dann ab dem 16. mit einem neuen Arbeitsvertrag weitergeführt, so entsteht keine Wartezeit, sondern es liegen zusammenhängende Beschäftigungszeiten im Sinne des KSchG vor.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, §§ 4, 7; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.07.2020; Aktenzeichen 60 Ca 2145/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Juli 2020 - 60 Ca 2154/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die aus Sicht des beklagten Landes innerhalb der Probezeit ausgesprochen wurde.
Der am ... 1976 geborene Kläger war zunächst seit dem 15. Mai 2015 beim beklagten Land in Teilzeit bei der Senatsverwaltung für A befristet bis längstens zum 31. Dezember 2019 beschäftigt und erhielt eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 14 TV-L. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Arbeitsvertrages vom 30. April 2015 (Anlage K 1, Bl. 6 - 10 d. A.) verwiesen.
Weil eine Entfristung des Arbeitsvertrages nicht erfolgen sollte, bewarb sich der Kläger auf eine Stelle im Straßen- und Grünflächenamt des Bezirksamtes B von Berlin.
Der Kläger schloss sodann am 31. Oktober 2019 mit dem Land, vertreten durch die Senatsverwaltung A, einen Aufhebungsvertrag, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. November 2019 vorsah. Wegen der Einzelheiten dieses Aufhebungsvertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 11 d. A.) verwiesen.
Mit Wirkung ab dem 16. November 2019 schloss der Kläger wiederum einen Arbeitsvertrag mit dem beklagten Land, vertreten durch das Bezirksamt B von Berlin über eine Tätigkeit als vollbeschäftigter Angestellte mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L und der Vereinbarung einer erneuten Probezeit. In der Folge wurde der Beginn der Beschäftigungszeit zur Berechnung Kündigungsfrist, des Jubiläumsgeldes sowie des Krankengeldzuschusses für den Kläger unter Berücksichtigung der bei der Senatsverwaltung für A auf den 15. Mai 2015 festgesetzt.
Die Serviceeinheit Personal des Bezirksamtes wandte sich mit Schreiben vom 14. Januar 2020 (Bl. 65 RS d. A.) an den im Bezirksamt B gebildeten Personalrat und bat um Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger in der vereinbarten Probezeit. Ebenfalls unter dem 14. Januar 2020 (Bl. 65 d. A.) beteiligte der Personalservice die zuständige Frauenvertreterin an der beabsichtigten Probezeitkündigung auf. Beide Schreiben wiesen darauf hin, dass auf Grund einer Eilbedürftigkeit eine Parallelbeteiligung aller Beschäftigtenvertretungen stattfinde; ihren war ein nicht datierter Entwurf eines Kündigungsschreibens (Bl. 64 d. A.) und das Schreiben des Straßen- und Grünflächenamtes vom 10. Januar 2020 (Bl. 64 d. A.) beigelegt wird, in dem es heißt:
"Herr J hat sich während der Probezeit nicht bewährt, weil er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat.
Nach unserer allgemeinen subjektiven Einschätzung genügt er unseren Anforderungen nicht.
Ich bitte daher, das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zu kündigen."
Die Frauenvertreterin hatte gegen die Kündigung keine Einwände. Der Personalrat verweigerte die Zustimmung zur Kündigung mit Schreiben vom 22. Januar 2020 (Bl. 67 d. A.) und rügte die parallele Beteiligung von Frauenvertreterin und Personalrat und die lediglich pauschale Angabe von Kündigungsgründen.
Das beklagte Land behandelte die Zustimmungsverweigerung als unbeachtlich und ging von einer Zustimmungsfiktion aus. Mit Schreiben vom 28. Januar 2020, dem Kläger zugegangen am 6. Februar 2020, kündigte das beklagte Land dem Kläger ordentlich in der Probezeit zum 29. Februar 2020.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 20. Februar 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 27. Februar 2020 zugestellten Kündigungsschutzklage gewandt.
Er hat gemeint, das KSchG finde vorliegen wegen der nahtlosen Fortsetzung des bereits seit 15. Mai 2015 bestehenden Arbeitsverhältnisses Anwendung. Es habe keine Unterbrechung gegeben, sodass die nahtlose Fortsetzung nicht wartezeitschädlich sein könne. Kündigungsgründe bestünden nicht und im Übrigen sei auch die Personalratsbeteiligung nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des beklagten Landes vom 28. Januar 2020 nicht aufgelöst worden ist.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags hat sie die Kündigung als wirksame Probezeitkündigung verteidigt und gemeint, das vorangegangene Arbeitsverhältnis...