Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis für den Fall des Wiederauflebens eines Beamtenverhältnisses. Verfassungskonforme Auslegung einer Tarifnorm zur Vermeidung einseitiger Herbeiführung des Bedingungseintritts durch die Arbeitgeberin. Auslegung eines Feststellungsantrags als Bedingungskontrollantrag. Bedingungskontrollklage und Kündigungsschutzklage gegen außerordentliche Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines Feststellungsantrags als Bedingungskontrollantrag.
2. Eine Kündigungsschutzklage wahrt die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auch für einen Bedingungseintritt, der bis zum Termin der Kündigung wirksam werden soll, jedenfalls dann, wenn der Kläger den Nichteintritt der Bedingung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz explizit geltend gemacht und mit einem Bedingungskontrollantrag erfasst hat.
3. Die auflösende Bedingung des § 4 Abs. 3 Anlage 1 MTV TSI ist allenfalls bei einschränkender verfassungskonformer Auslegung wirksam. Diese führt zu dem Ergebnis, dass die Tarifnorm jedenfalls die Fälle nicht erfasst, in denen der Bedingungseintritt in das Belieben des Arbeitgebers gestellt würde, dh der Arbeitgeber es in der Hand hätte, den Bedingungseintritt selbst herbeizuführen und in denen ihr Eintritt allein von den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers geprägt ist (vgl. auch BAG 19. Januar 2005 - 7 AZR 250/04 - zu II 3 b aa der Gründe mwN).
4. Der Wirksamkeit der außerdem ausgesprochenen außerordentlichen personenbedingten Kündigung steht entgegen, dass mit der Beendigung des Sonderurlaubs keine notwendige und sachlich gerechtfertigte Anforderung für den Einsatz des Klägers entfallen ist. Der Kläger war weder tatsächlich noch rechtlich an der Erbringung einer Arbeitsleistung für die Beklagte gehindert (vgl. BAG 21. April 2016 - 2 AZR 609/15, Rn. 35).
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Unwirksamkeit und der Nichteintritt einer auflösenden Bedingung sind nicht mit einer allgemeinen Feststellungsklage sondern mit einer Bedingungskontrollklage geltend zu machen. Die Klagefrist gemäß §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG ist auch dann einzuhalten, wenn nicht die Wirksamkeit der Bedingung sondern deren tatsächlicher Eintritt im Streit steht.
2. Ob die auflösende Bedingung eingetreten ist, hängt regelmäßig von der Auslegung der tariflichen oder einzelvertraglichen Bedingungsabrede ab, so dass die Frage des Eintritts der auflösenden Bedingung häufig mit der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Bedingungsabrede verknüpft ist. Wegen des nahezu untrennbaren Zusammenhangs der Wirksamkeit und des Eintritts der auflösenden Bedingung sind beide Fragen Gegenstand der Bedingungskontrollklage.
3. Geht es dem Arbeitnehmer der Sache nach darum, ob die Regelung im Tarifvertrag einschlägig ist, ob sie wirksam ist und ob die Bedingung wegen nicht erteilen Sonderurlaubs eingetreten ist, und beruft er sich darauf, dass die Arbeitgeberin den Bedingungseintritt treuwidrig herbeigeführt hat, sind alle Gesichtspunkte im Rahmen eines Bedingungskontrollantrags zu prüfen.
4. Beruft sich der Kläger darüber hinaus darauf, dass die auflösende Bedingung nicht Vertragsbestandteil geworden ist, ist dieses Begehren nicht mit einer Befristungskontrollklage nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG, sondern mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO geltend zu machen.
Normenkette
KSchG § 4 S. 1; TVG § 1; TzBfG §§ 21, 17 S. 1; BGB § 133; KSchG § 7; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2; BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1; MTV-TSI § 4 Abs. 3 Anlage 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.07.2015; Aktenzeichen 37 Ca 69/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Juli 2015 - 37 Ca 69/15 - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen
a. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder aufgrund einer auflösenden Bedingung noch aufgrund der außerordentlichen oder der ordentlichen Kündigung vom 9. Dezember 2014 aufgelöst worden ist,
b. die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Senior Experte Marketing Management Public & Health-care am Standort Berlin weiter zu beschäftigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 80 vH. und der Kläger 20 vH. zu tragen.
3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund eines Bedingungseintritts oder einer außerordentlichen bzw. einer ordentlichen Kündigung aufgelöst worden ist. Außerdem streiten sie über die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung.
Der Kläger ist Lebenszeitbeamter. Dienstherr des Klägers ist die Deutsche T. AG (im Folgenden: DT AG). Die DT AG lagerte ihre zentralen Geschäftsfelder im Jahr 2007 auf Tochtergesellschaften aus. Sie beurlaubte den Kläger ab dem 1. Juli 2008 nach § 13 Ab...