Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Unternehmereigenschaft im Sinne von § 14 AEntG bei Bauherren oder Letztbestellern. Kein Eingriff in die Berufs(-ausübungs-)freiheit bei Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns. Keine Ungleichbehandlung durch sachgerechte gesetzgeberische Maßnahmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Bauherren oder Letztbestellern liegt keine Unternehmereigenschaft i.S.v. § 14 AEntG vor.
2. Der Mindestlohn ist auch dann zu garantieren, wenn der Arbeitgeber die Arbeit durch Subunternehmen ausführen lässt. Es kommt nicht darauf an, ob das abgebende Unternehmen eine Generalunternehmereigenschaft hat. Die Verpflichtung zur Beachtung des Mindestlohns stellt sich als verhältnismäßiger und damit rechtmäßiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar.
3. Der Gesetzgeber ist befugt, bei sachgerechter Auswahl mehrere Bereiche ungleich zu regeln. So kann er eine Auftraggeberhaftung für branchenbezogene Mindestlöhne vorschreiben und gleichzeitig bei der Arbeitnehmerüberlassung eine andere Lohnuntergrenze durch tarifliche Regelung zulassen.
Normenkette
AEntG § 14; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 1; MiLoG § 13; AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 3a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.05.2018; Aktenzeichen 53 Ca 16918/17) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Mai 2018 - 53 Ca 16918/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Arbeitsentgelt aus Bürgenhaftung nach § 14 AEntG für die Zeit vom 28. Juli bis zum 20. September 2014 und vom 22. September bis zum 17. Oktober 2014 im Zusammenhang mit der Errichtung des Einkaufszentrums "Mall of Berlin" am Leipziger Platz in Berlin-Mitte.
Die "Mall of Berlin" wurde in den Jahren 2011 bis 2014 von der Beklagten, die vor ihrer Formumwandlung als H. L. P. GmbH firmierte, zusammen mit einer weiteren Gesellschaft, der H. LP 125 GmbH & Co. KG, errichtet und im September 2014 eröffnet. Die Mall besteht aus zwei Gebäudekomplexen, verbunden mit einem überdachten Durchgang, und erstreckt sich über zwei Grundstücke begrenzt durch den Leipziger Platz im Westen, die Leipziger Straße im Süden, die Wilhelmstraße im Osten und die Voßstraße im Norden. Eigentümerin des von der Leipziger Straße aus gesehen linken Grundstücks ist die Beklagte und Eigentümerin des von der Leipziger Straße aus gesehen rechten Grundstücks die H. LP 125 GmbH & Co. KG.
Mit der Errichtung der Mall beauftragten die Beklagte und die H. LP 125 GmbH & Co. KG seinerzeit eine Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: ARGE), bestehend aus der BSS B.-S.-Sch. GmbH (im Folgenden: BSS GmbH) und der F. Controlling und Logistic GmbH (im Folgenden: FCL GmbH), als Generalunternehmerin. Zu diesem Zweck schlossen die Beklagte und die H. LP 125 GmbH & Co. KG mit der ARGE für die Bauvorhaben auf den jeweiligen Grundstücken zwei getrennte Verträge, einen Bauerrichtungsvertrag für das Projekt Leipziger Platz Nº12 und einen Bauerrichtungsvertrag für das Projekt Leipziger Platz II. Nachdem im Sommer 2013 über das Vermögen der BSS GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, führte die FCL GmbH die Bauvorhaben als alleinige Generalunternehmerin fort. Die ARGE bzw. die FCL GmbH beauftragten mit der Errichtung der Mall zahlreiche Subunternehmen. Zwischenzeitlich wurde auch über das Vermögen der FCL GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
In einem vor dem Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 14 Ca 3752/15 geführten Rechtsstreit nahm der Kläger die O. GmbH als seine Arbeitgeberin und Subunternehmerin der FCL GmbH auf Zahlung des Mindestlohns für die Zeit vom 28. Juli bis 20. September 2014 in Höhe von 5.061,00 Euro brutto in Anspruch. Mit Urteil vom 5. August 2015 gab das Arbeitsgericht der Klage statt. In einem weiteren vor dem Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 12 Ca 4417/15 geführten Rechtsstreit nahm der Kläger die M. F. GmbH & Co. KG als seine weitere Arbeitgeberin und Subunternehmerin der FCL GmbH auf Zahlung des Mindestlohns für die Zeit vom 22. September bis zum 17. Oktober 2014 in Höhe von 2.486,40 Euro brutto in Anspruch. Mit Urteil vom 28. Oktober 2015 gab das Arbeitsgericht der Klage statt. Eine Befriedigung aus den Urteilen erlangte der Kläger nicht.
Mit der am 27. Dezember 2017 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, der Beklagten am 5. Januar 2018 zugestellten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung des Nettoarbeitsentgelts für die Zeit vom 28. Juli bis zum 20. September 2014 und vom 22. September bis zum 17. Oktober 2014 abzüglich erhaltener Abschlagzahlungen in Höhe von insgesamt 1.250,00 Euro in Anspruch genommen. Er hat gemeint, die Beklagte hafte nach § 14 AEntG als Auftraggeberin des Bauvorhabens Leipziger Platz Nº12 gegenüber den Beschäftigten ihrer Subunternehmen für den Nettobetrag des tariflichen Mindestlohns wie ein Bürge, der auf die Einrede der V...