Entscheidungsstichwort (Thema)
Bürgenhaftung von Unternehmen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz. Unbegründete Lohnklage eines Arbeitnehmers auf Nettoarbeitsentgelt gegen die Betreiberin eines Einkaufszentrums
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 14 AEntG haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, unter anderem auch für die Verpflichtung dieses Unternehmers oder eines Nachunternehmers zur Zahlung des Mindestentgelts nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz im Umfang des den Beschäftigten für die von diesen geleisteten Arbeitsstunden zustehenden Nettoentgelts wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.
2. "Unternehmer" im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB ist auch ein Unternehmen, dass bei der Beauftragung einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) oder einer Generalunternehmerin in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelt, die in der Errichtung eines Gebäudes zum Zwecke der Verwaltung und Vermietung besteht. Die Verantwortung für die Einhaltung der Mindestarbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und damit der Vereinheitlichung der Entgelte innerhalb einer Branche und eines Tarifgebietes liegt jedoch in erster Linie bei den zu der Branche gehörenden Unternehmen und nicht bei denjenigen Unternehmen, die Werk- und Dienstleistungen als Letztbesteller in Anspruch nehmen.
3. Die Betreiberin eines Einkaufszentrums ("Mall of Berlin") begründet mit der Beauftragung einer ARGE oder einer Generalunternehmerin keine Verantwortungsbeziehung für die Zahlung des Mindestentgelts. Was die Durchsetzung der Mindestarbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz betrifft, hat das Unternehmen als Betreiberin eines Einkaufszentrums mit der Beauftragung einer Generalunternehmerin kein zusätzliches Risiko geschaffen, das es rechtfertigen würde, ihr eine verschuldensunabhängige Mitverantwortung für die Einhaltung der Mindestarbeitsbedingungen zuzuweisen.
Normenkette
AEntG §§ 14, 14 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.05.2017; Aktenzeichen 14 Ca 14814/16) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Mai 2017 - 14 Ca 14814/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Nettoarbeitsentgelt aus Bürgerhaftung nach § 14 AEntG für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 1. Oktober 2014 im Zusammenhang mit der Errichtung des Einkaufszentrums "Mall of Berlin" am Leipziger Platz in Berlin Mitte.
Die "Mall of Berlin" wurde in den Jahren 2011 bis 2014 von der Beklagten, die vor ihrer Formumwandlung als H. L. Platz GmbH firmierte, zusammen mit einer weiteren Gesellschaft, der H. LP 125 GmbH & Co. KG, errichtet und im September 2014 eröffnet. Sie besteht aus zwei Gebäudekomplexen, verbunden mit einem überdachten Durchgang und erstreckt sich über zwei Grundstücke begrenzt durch den Leipziger Platz im Westen, die Leipziger Straße im Süden, die Wilhelmstraße im Osten und die Voßstraße im Norden. Eigentümerin des von der Leipziger Straße aus gesehen linken Grundstücks ist die Beklagte und Eigentümerin des von der Leipziger Straße aus gesehen rechten Grundstücks die H. LP 125 GmbH & Co. KG.
Mit der Errichtung der Mall beauftragten die Beklagte und die H. LP 125 GmbH & Co. KG seinerzeit eine Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: ARGE), bestehend aus der BSS B.-S.-Sch. GmbH (im Folgenden: BSS GmbH) und der F. C. und Logistic GmbH (im Folgenden: FCL GmbH), als Generalunternehmerin. Zu diesem Zweck schlossen die Beklagte und die H. LP 125 GmbH & Co. KG mit der ARGE für die Bauvorhaben auf den jeweiligen Grundstücken zwei getrennte Verträge, einen Bauerrichtungsvertrag für das Projekt Leipziger Platz N 12 und einen Bauerrichtungsvertrag für das Projekt Leipziger Platz II. Nachdem im Sommer 2013 über das Vermögen der BSS GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, führte die FCL GmbH die Bauvorhaben als alleinige Generalunternehmerin fort. Die ARGE bzw. die FCL GmbH beauftragten mit der Errichtung der Mall zahlreiche Subunternehmen. Zwischenzeitlich wurde auch über das Vermögen der FCL GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
In einem vor dem Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 53 Ca 3754/15 geführten Rechtsstreit nahm der Kläger zunächst die O. GmbH als seine Arbeitgeberin und Subunternehmerin der FCL GmbH u. a. auf Vergütung für die Monate August bis Oktober 2014 in Anspruch. Durch Teilurteil vom 15. September 2015 wies das Arbeitsgericht die Klage insoweit ab. Auf die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil sprach das Landesarbeitsgericht dem Kläger durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 10. Juni 2016 - 3 Sa 2005/15 - für den fraglichen Zeitraum 5.372,40 Euro brutto abzüglich gezahlter 200,00 Euro netto zu. Allerdings erlangte der Kläger aus dem Urteil keine Befriedigung.
Der Kläger hat behauptet, er habe in der Zeit vom 25. Ap...