Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragliche Verpflichtung zur Rückzahlung von Vorschüssen und Provisionen. Wirksamkeit einer Kontokorrentabrede als Allgemeine Geschäftsbedingung. Verjährung von Rückforderungen gezahlter Provisionen. Inhalts- und Wirksamkeitskontrolle von vertraglichen Rückzahlungsregelungen. Verjährung bei fehlender Zustellung "demnächst" (§ 167 ZPO)
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle einer vertraglich vereinbarten Verpflichtung zur Rückzahlung nicht verdienter Provisionsvorschüsse und Provisionen
2. Zur Auslegung und Inhaltskontrolle einer Kontokorrentabrede in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
3. Zu den Auswirkungen auf die Verjährung von Rückforderungen
Normenkette
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1, §§ 205, 242, 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 2; HGB § 89 Abs. 2 S. 1 Hs. 2, § 89a Abs. 1 S. 2, § 355; ZPO § 97 Abs. 1, § 167
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 04.04.2019; Aktenzeichen 2 Ca 1273/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. April 2019 - 2 Ca 1273/18 - teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.312,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2018 zu zahlen.
II. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung erhaltener Provisionsvorschüsse und Provisionen.
Die Klägerin vermittelt als Vermittlungsgesellschaft in der Rechtsstellung einer selbstständigen Versicherungsvertreterin für verschiedene Versicherungsunternehmen (Partnergesellschaften) im Rahmen von separaten Agenturverträgen Versicherungen, Bausparverträge und Kapitalanlagen. Für die Durchführung ihrer Vermittlungstätigkeit bedient sie sich einer Außenorganisation aus selbstständigen Versicherungsvertreter*innen, mit denen sie sogenannte Finanzdienstleistungsvermittlerverträge schließt.
Der Beklagte war für die Klägerin seit November 2009 als selbstständiger Finanzdienstleister auf der Grundlage des Finanzdienstleistungsvermittlervertrages vom 20. November/21. Dezember 2009 (im Folgenden: Vertrag) tätig. Nach dem Vertrag war der Beklagte ständig damit betraut, für die Klägerin und deren Partnergesellschaften innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ohne Gebietseinschränkung bestandsfähige Verträge zu vermitteln und zu betreuen, die Vertragsprodukte zum Gegenstand haben (Ziffer 5.1 Satz 1 des Vertrages) und erhielt für jedes vermittelte Geschäft eine einmalige Abschlussprovision bzw. (beziehungsweise) eine Abschlussdifferenzprovision, sofern das Geschäft nicht durch ihn selbst, sondern durch einen seiner Führung unterliegenden nachgeordneten Finanzdienstleister vermittelt wurde (Ziffer 12.1.1 Satz 1 und 2 und 12.1.2 des Vertrages).
Darüber hinaus ist in dem Vertrag - soweit hier von Bedeutung - auszugsweise Folgendes geregelt:
"...
12.4 Provisionsvorschuss
12.4.1 Nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen wird die Abschlussprovision in den Sparten Lebens- Kranken und Sachversicherung vorbehaltlich der nach Ziff. 15 zu leistenden Sicherheiten in Höhe der zu erwartenden Provision diskontiert. Der Provisionsvorschuss ist nicht verdient, solange der Finanzdienstleister den Anspruch auf Provision gemäß Ziff. 12.5 noch nicht endgültig erworben hat.
...
12.4.4 Der Anspruch auf Provisionsdiskont entsteht bezogen auf das jeweils geschlossene Geschäft, wenn die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind: ... Der erste Betrag des Kunden ist endgültig und unwiderruflich auf dem von der betreffenden Partnergesellschaft bezeichneten Zielkonto eingegangen. ...
12.4.5 Der Anspruch auf den Provisionsdiskont entsteht nur unter der Bedingung, dass die Provisionsstornoquote die Höhe von 10 % nicht übersteigt, und dass der Kunde seiner Beitragspflicht laufend nachkommt. ... Entfällt eine der vorstehenden Bedingungen ist die OVB berechtigt, die Provisionsdiskonte auszusetzen und etwaig ausgezahlte Diskonte, für die die Voraussetzungen entfallen sind, zurückzuverlangen, soweit sie nicht ins Verdienen gebracht sind.
12.4.6 Der Anspruch auf Provisionsvorschuss erlischt hinsichtlich des auf den nicht ausgeführten Teil des Vertrages entfallenden Teils, wenn der zu Grunde liegende Vertrag mit dem Kunden gekündigt wird. Entsprechendes gilt auch bei einer vollständigen oder teilweisen Nichtausführung des Vertrages. In dem Umfang, in dem der Provisionsvorschussanspruch nach den vorstehenden Bestimmungen erlischt, unterliegt er der Rückzahlung.
12.4.7 Unterliegt ein Provisionsvorschuss der Rückzahlung, so wird diese Forderung der OVB dem Provisionskonto des Finanzdienstleisters belastet. Ein Sollsaldo zulasten des Finanzdienstleisters wird dieser binnen zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung der OVB ausgleichen. Der Finanzdienstleister ist nicht berechtigt, die Rückzahlungen von Provisionsvorschüssen unter Hinweis ...