Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzumutbare Weisung der Arbeitgeberin zur auswärtigen Arbeitsaufnahme nach Rücknahme einer Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Eine Weisung des Arbeitgebers, nach Rücknahme einer Kündigung sich am nächsten Tag um 07:00 Uhr früh an einem 170 km entfernten Ort zur Arbeitsaufnahme einzufinden, kann unwirksam, da unzumutbar, sein.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1; GewO § 106; BGB § 315; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 21.06.2017; Aktenzeichen 4 Ca 676/17) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 21.06.2017 - 4 Ca 676/17 - wird auf ihre Kosten bei unverändertem Streitwert in der zweiten Instanz zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger vom 27. April 2017.
Der Kläger, gelernter Pferdewirt, ist aufgrund des Arbeitsvertrages vom 01.08.2016 ab diesem Tag als Lagerarbeiter für ein Bruttomonatsgehalt von 2.200,00 Euro bei der Beklagten, einem Logistik-Unternehmen, welches ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, an deren Firmensitz in 15806 Z., Ortsteil N., beschäftigt. Er selbst wohnt in 15838 G., dieser Ort befindet sich ca. 6 km vom Firmensitz entfernt, mit dem Auto in 6 Min. zu erreichen.
Im Arbeitsvertrag befindet sich folgende Klausel:
"Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Aufgabe betrauen, an einen anderen Ort sowie vorübergehend auch bei einem anderen Konzernunternehmen einsetzen."
Die Parteien führten vor dem Arbeitsgericht Potsdam einen Kündigungsrechtsstreit. In der Güteverhandlung am 24.04.2017 nahm die Beklagte die Kündigung zurück und forderte den Kläger auf, sich nächstfolgenden Tag um 7:00 Uhr früh in der Niederlassung in Dresden zur Arbeit zu melden. Die Niederlassung in Dresden befindet sich 165 km entfernt von G. (google.maps; nach Meinung der Parteien 177 km entfernt) und ist mit dem Auto in 1 Std. 45 Min. bei üblicher Verkehrslage zu erreichen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Niederlassung ca. in 4 Std. 50 Min. zu erreichen.
Der Kläger erschien am 25.04.2017 nicht in Dresden, sondern in N.. Er meinte, dass er nicht verpflichtet sei, in Dresden zu arbeiten. Er erhielt deshalb eine Abmahnung vom selben Tag (vgl. die Abmahnung in Kopie Bl. 37 d.A.) und die erneute Anweisung, sich in Dresden zu melden. Am selben Tag sollte der Kläger in N. die Hausmeister unterstützen. Unstreitig wartete der Kläger 1 ½ Std., dass ihn ein Hausmeister abholte, ob in einem beheizten (so die Beklagte) oder unbeheiztem Raum (so der Kläger), ist zwischen den Parteien streitig. Dann ging der Kläger nach Hause. Er erhielt deshalb eine zweite Abmahnung (vgl. die Abmahnung in Kopie Bl. 38 d.A.) und eine dritte vom selben Tag (vgl. die Abmahnung in Kopie Bl. 39 d.A.), weil er sich nicht in Dresden eingefunden hätte. Als der Kläger am 27.04.2017 wieder nicht in Dresden, sondern in N. erschien, erhielt er die außerordentliche, hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung vom 27.04.2017 (vgl. dazu die Kündigung in Kopie Bl. 16 d.A.).
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht Potsdam am 04.05.2017 eingegangenen und der Beklagten am 09.05.2017 zugestellten Klage.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, da er die Weisungen der Beklagten nicht hätte befolgen müssen. Die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag sei nicht wirksam. Er habe ca. 10 Pferde neben seiner Tätigkeit bei der Beklagten auf seinem Hof in G. zu versorgen und könne nicht ad hoc nach Dresden fahren. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Potsdam 21.06.2017 hatte der Kläger seinen Führerschein, den er wegen eines Verkehrsdelikts abgeben musste, noch immer nicht erhalten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 27. April 2017 beendet wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, dass der Kläger aufgrund der Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag in Dresden arbeiten müsse. Er habe seine Arbeit verweigert. Sie benötige eine deutschsprachige Lagerkraft in Dresden, während das Lager in N. voll besetzt sei.
Das Arbeitsgericht Potsdam hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 27.04.2017 nicht beendet worden sei, da die Kündigung unwirksam sei. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass wegen der besonderen Umstände des Falles nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger in Zukunft die Weisungen der Beklagten nicht befolgen würde. Von einem vernünftig handelnden Arbeitgeber hätte verlangt werden können, dass er nicht von einem Tag auf den anderen anordne, dass die Arbeit an einem dermaßen weiten entfernten Ort aufgenommen werde.
Wegen der weiteren konkreten Begründung ...