Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer wegen Ablehnung einer kurzfristig beantragten Urlaubsgewährung für die Dauer von drei Monaten
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine fristlose Arbeitnehmerkündigung mit der Begründung, der Arbeitgeber habe einen kurzfristig beantragten 3-monatigen Erholungsurlaub nicht gewährt, ist ohne vorherige Abmahnung jedenfalls dann unwirksam, wenn dem Arbeitgeber ein entsprechender Urlaubsanspruch gar nicht zustand.
2. Unabhängig hiervon ist die fristlose Arbeitnehmerkündigung jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber den Erholungsurlaub zunächst nicht abgelehnt, sondern lediglich um Abstimmung mit dem Kunden gebeten hat, bei dem der Arbeitnehmer zum Einsatz kam.
3. Lässt sich eine betriebliche Übung nicht feststellen, so besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Übertragung von in den Vorjahren nicht genommenem Erholungsurlaub in das aktuelle Urlaubsjahr.
4. Der Arbeitgeber ist weder nach dem BUrlG, noch nach Unionsrecht verpflichtet, ohne ein vorheriges Verlangen des Arbeitnehmers diesen Erholungsurlaub zu gewähren oder auf ihn einzuwirken, dass er Erholungsurlaub beantragt.
5. Die Einstellung von Überstunden in ein abzugeltendes Arbeitszeitguthaben erfordert neben der Darlegung der Überstundenleistung auch, dass die Überstunden durch den Arbeitgeber veranlasst bzw. angeordnet waren.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, § 280 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.12.2016; Aktenzeichen 18 Ca 2166/16) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin und auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufungen der Klägerin und des Beklagten im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Dezember 2016 - 18 Ca 2166/16 und 18 Ca 4350/16 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.150,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 603,35 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
II. Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu 15,69% und der Beklagte zu 84,31% zu tragen.
Die Kosten der zweiten Instanz haben die Klägerin zu 12,51% und der Beklagte zu 87,49% zu tragen.
III. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen, soweit auf die Berufung der Klägerin die Widerklage auf Zahlung der Urlaubsabgeltung in Höhe von 9750,00 Euro brutto nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob der Beklagte das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche fristlose Kündigung vom 31. Dezember 2015 mit Wirkung zum 2. Januar 2016 beendet hat. Sie streiten ferner darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns zu zahlen, und im Wege der Widerklage darüber, ob die Klägerin dem Beklagten Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung zahlen muss.
Die Klägerin und Widerbeklagte (nachfolgend: Klägerin) ist in unterschiedlichen Bereichen tätig, ua. im Bereich der allgemeinen Roboter-Automation über SPS- und Visualisierungsanwendungen. Die Parteien vereinbarten in dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 22. Mai 2012 unter § 1, dass der Beklagte und Widerkläger (nachfolgend: Beklagter) mit Wirkung vom 1. Juni 2012 als SPS/Roboter- Programmierer für Serviceeinsätze eingestellt wird und das Einsatzgebiet sich auf die "BRD (bundesweit) und für das angrenzende europäische Ausland" erstreckt. In dem Arbeitsvertrag vom 22. Mai 2012 ist auszugsweise weiter Folgendes geregelt:
"§ 2 - Probezeit/Kündigungsfristen
....
(2) Nach Ablauf der Probezeit und Übernahme in ein festes Beschäftigungsverhältnis beträgt die Kündigungsfrist 8 Wochen zum Monatsende. Verlängert sich die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber aus tariflichen oder gesetzlichen Gründen, gilt diese Verlängerung auch für den Arbeitnehmer.
....
§ 6 - Arbeitszeit/Überstunden
Die Arbeitszeit richtet sich nach der betriebsüblichen Zeit und beträgt derzeit wöchentlich 40 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen. Soweit betrieblich erforderlich, sind Überstunden zu leisten, für die keine zusätzliche Vergütung verlangt werden kann.
...
§ 10 - Urlaub
Der Arbeitnehmer erhält 30 Werktage Urlaub. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Zeitpunkt des jeweiligen Urlaubsantritts ist mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen.
....
§ 14 - Ausschlussklausel
Die Vertragsschließenden müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von drei Monaten einklagen. Andernfalls erlöschen sie...