Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Betriebsvereinbarung zur Altersgrenze nach schrittweiser Anhebung der Regelaltersgrenze
Leitsatz (amtlich)
1. Enthält eine "Arbeits- und Sozialordnung" in Form einer freiwilligen BV aus dem Jahr 1984 u.a. die Regelung "Das Arbeitsverhältnis wird beendet: Nach Ablauf des Kalendermonats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet" kann diese unter Berücksichtigung der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze auf die Vollendung des 67. Lebensjahres dahingehend gelegt werden, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden soll.
2. Eine solche Altersgrenzenregelung hält einer Befristungskontrolle stand und verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.
Normenkette
TzBfG § 14; SGB VI § 41; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 75 Abs. 1, § 77 Abs. 3, 4 S. 1; AGG § 7 Abs. 1, § 10 Sätze 1-2, 3 Nr. 5; SGB VI § 41 S. 2, § 35 S. 2, § 235 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.11.2012; Aktenzeichen 4 Ca 10452/12) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.11.2012 - 4 Ca 10452/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.
Der am .....1947 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.03.1984/28.03.1984 (Bl. 21 - 24 d. A.) vom 01.04.1983 bis zum 30.06.2012 zu einem Jahresbruttoeinkommen von zuletzt 90.386,14 EUR beschäftigt.
§ 2 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:
"Vertragsbeginn und Vertragsende
2.1 Der vorliegende Arbeitsvertrag tritt am 1. April 1984 in Kraft ...
2.2 Das Arbeitsverhältnis ist als Probezeit zunächst bis zum 31. März 1985 befristet. Hat einer der Vertragspartner nicht die Absicht, das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortzusetzen, so wird er dies schriftlich bis zum 31. Januar 1985 ankündigen.
2.3 Danach gelten für die Kündigungsfristen die Regelungen des Manteltarifvertrages für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie in der jeweils geltenden Fassung.
..."
Unter § 5 ist folgendes geregelt:
"Allgemeine Regelungen
Der Vertragspartner ist außertariflicher Mitarbeiter.
Die Arbeits- und Sozialordnung (ASO), die Betriebsvereinbarung über die Alters- und Hinterbliebenenversorgung sowie alle anderen Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung sind Bestandteil des Arbeitsvertrages....
Die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie in ihrer jeweils gültigen Fassung - nach Kündigung des Manteltarifvertrages in ihrer letzten Fassung - sind mit Ausnahme seiner Gehaltsbestimmungen (vgl. § 8 des Tarifvertrages), ergänzend Inhalt dieses Arbeitsvertrages."
Die im Arbeitsvertrag in Bezug genommene Arbeits- und Sozialordnung (im folgenden ASO) enthielt in der bei Abschluss des Arbeitsvertrages geltenden Fassung unter Punkt 14 mit der Überschrift "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" folgende Regelungen:
"14.1 Allgemeine Gründe
Das Arbeitsverhältnis wird beendet:
...
c) Nach Ablauf des Kalendermonats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet,
..."
Diese Regelungen blieben bei einer Überarbeitung der ASO in der zum 1.3.2008 in Kraft tretenden Fassung unverändert. Erst am 20.12.2012 vereinbarten die Betriebsparteien die Ersetzung dieser Regelung wie folgt:
"c) mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, ohne, dass es einer besonderen Kündigung bedarf."
Wegen der Einzelheiten der ASO wird auf die Anlage K3 (Bl. 26 - 83 d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Änderung der ASO wird auf die Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2013 (Bl. 245 d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 18.01.2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, er wolle nach Vollendung des 65. Lebensjahres seine Berufstätigkeit fortsetzen. Dies lehnte die Beklagten mit Schreiben vom 07.02.2012 unter Hinweis auf den in der ASO enthaltenen Beendigungstatbestand ab. Seit Juli 2012 erhält der Kläger eine gesetzliche Rente in Höhe von 1.683,09 EUR sowie Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 3.283,55 EUR.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Berlin am 03.07.2012 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung eines über den 30.06.2012 hinaus bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten. Der Kläger vertritt zum einen die Auffassung die in der ASO vorgesehene Altersgrenze finde auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da dieser günstigere Regelungen vorsehe und außerdem der Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG entgegenstehe, zum anderen sei sie ohnehin unwirksam, weil sie nicht an die (angehobene) gesetzliche Regelaltersgrenze anknüpfe.
Das Arbeitsgerich...