Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bei Vollzug rechtlicher Vorgaben. Gewährung der Hauptstadtzulage als "Kann-Bestimmung" in den Entgeltgruppen bis E 13. Einschätzungsspielraum des Landesgesetzgebers bei der Gewährung der Hauptstadtzulage. Verfassungsrechtliche Prüfung der Nichtgewährung der Hauptstadtzulage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz begründet keinen Anspruch von Beschäftigten des Landes Berlin, die nach den Entgeltgruppen EG 14 oder EG 15 vergütet werden, in die Gewährung der Hauptstadtzulage auf der Grundlage von § 74a Absatz 8 BBesG BE.

Mit der Nichtberücksichtigung der bezeichneten Beschäftigten bei der Gewährung der Hauptstadtzulage hat das Land Berlin keine gestaltende Entscheidung getroffen, sondern - jedenfalls seinem Verständnis nach - eine durch § 74a Absatz 8 BBesG BE vorgegebene Beschränkung des Empfängerkreises der Hauptstadtzulage nachvollzogen.

2. § 74a Absatz 8 BBesG BE ermächtigt das Land Berlin als Arbeitgeber nicht dazu, Beschäftigte in den Entgeltgruppen EG 14 und EG 15 in die dort mit der Kann-Formulierung vorgegebene Entscheidung über die Gewährung der Hauptstadtzulage an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzubeziehen.

Die durch die Vorschrift angeordnete entsprechende Anwendung der auf Beamtinnen und Beamte mit Dienstbezügen bis einschließlich der Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage zielenden Vorschrift über die Gewährung der Hauptstadtzulage bedeutet, dass die Hauptstadtzulage nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den unteren, mittleren und höheren Entgeltgruppen bis einschließlich der EG 13 gewährt werden kann.

3. Unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ist die durch § 78 Absatz 8 BBesG BE erfolgte Beschränkung der Hauptstadtzulage auf Beschäftigte der Entgeltgruppen bis EG 13 nicht zu beanstanden.

Das mit der Regelung verfolgte Ziel, die Attraktivität des Landes als Arbeitgeber zu steigern, schließt unter Berücksichtigung des insoweit anzunehmenden Einschätzungsspielraums des Landesgesetzgebers eine Willkürlichkeit der durch die Regelung begründeten Unterscheidung zwischen Beschäftigten in den Entgeltgruppe bis EG 13 und den Beschäftigten in den Entgeltgruppen darüber aus.

4. Nach dem betroffenen Sach- und Regelungsbereich besteht im Rahmen der Überprüfung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots kein Anlass für eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, die eine Abwägung zwischen der erzielten Steigerung der Wirksamkeit der Maßnahme und den resultierenden Nachteilen für die ausgeschlossenen Beschäftigten umfassen würde.

Der Ausschluss von Beschäftigten in den höchsten Entgeltgruppen greift nicht in die Berufsfreiheit ein und die Unterscheidung knüpft nicht an Merkmale an, die für den Einzelnen nicht verfügbar sein würden oder die sich an die in Artikel 3 Absätze 2 und 3 Grundgesetz, Artikel 10 Absätze 2 und 3 Verfassung von Berlin verbotenen Unterscheidungsmerkmale annähern würden.

 

Normenkette

GG Art. 3; BlnVerf Art. 10; BBesG Berlin § 78a

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 16.02.2022; Aktenzeichen 56 Ca 4530/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Februar 2022 - 56 Ca 4530/21 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Zulage.

Das beklagte Land beschäftigt die Klägerin seit 2007, zuletzt als Schulleiterin. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Vereinbarung Tarifverträge Anwendung, darunter der Tarifvertrag der Länder (TV-L). Das beklagte Land beschäftigt und vergütet die in Vollzeit tätige Klägerin nach Entgeltgruppe 15 (EG 15) Entgeltordnung zum TV-L.

Mit Artikel 3 Nummer 2 Haushaltsumsetzungsgesetz 2020 vom 11. Juni 2020 (GVBl. Berlin 2020, 535) beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin § 74a Bundesbesoldungsgesetz in der Überleitungsfassung für das Land Berlin (BBesG BE). Die Vorschrift trat zum 1. November 2020 in Kraft. Unter Berücksichtigung der durch das "Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2021 und zur Änderung weiterer Vorschriften (BerlBVAnpG 2021)" vom 9. Februar 2021 (GVBl. Berlin 2021, 146), dort Art. 2 Nr. 1 b, mit Wirkung zum Inkrafttreten vorgenommenen Änderungen lautet die Vorschrift auszugsweise:

"§ 74a Hauptstadtzulage

(1) Beamte mit Dienstbezügen bis einschließlich der Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage erhalten eine nicht ruhegehaltfähige monatliche Hauptstadtzulage bestehend aus einem monatlichen Zuschuss für ein Firmenticket des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg und einem monatlichen Zulagenbetrag. ...

(2) Abweichend von Absatz 1 wird die monatliche Hauptstadtzulage allein als monatlicher Zulagenbetrag in Höhe von 150 Euro gewährt, wenn der Beamte dies beantragt und mit diesem Antrag erklärt, auf den monatlichen Zuschuss für ein Firmenticket ...

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