Entscheidungsstichwort (Thema)
Lenkzeitunterbrechungen. Ruhezeiten. Mobbing
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen über Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer begründen als bloße Nebenpflichten des Arbeitgebers keinen einklagbaren Leistungsanspruch des Arbeitnehmers.
2. An einer Feststellung, dass der Arbeitgeber die Regelungen über Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten zu beachten hat, besteht kein nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliches Interesse, wenn darüber kein Streit zwischen den Parteien herrscht, dieser sich vielmehr darauf beschränkt, ob aufgetretene Verstöße auf der Disposition der Touren durch den Arbeitgeber beruhen.
Normenkette
VO (EG) Nr. 561/2006 Art. 6, 8; ZPO § 256
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Urteil vom 03.12.2009; Aktenzeichen 1 Ca 881/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 03.12. 2009 – 1 Ca 881/09 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie die Klage im Umfang von 881,00 EUR brutto nebst Zinsen abgewiesen worden ist, und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 881,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 02.12.2009 zu zahlen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz haben bei einem Streitwert von 8.046,42 EUR der Kläger zu 89,05 % und die Beklagte zu 10,95 % zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 9.046,42 EUR dem Kläger zu 90,26 % und der Beklagten zu 9,74 % auferlegt werden.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am … 1953 geborene Kläger stand seit dem 1. Mai 1992 als Kraftfahrer in den Diensten eines Unternehmens des Einzelhandels. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der bis Ende 1999 allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für den Einzelhandel im Land Brandenburg (MTV) Anwendung. Am 6. November 2006 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsteilübergangs auf die Beklagte über.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung von Urlaubsgeld für 2009 und einer Entschädigung wegen systematischer Verletzung der Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten, die er außerdem zum Gegenstand von Leistungs- und Feststellungsanträgen macht.
Das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Urlaubsgeld für 2009 sei noch nicht fällig, weil dem Kläger noch nicht mindestens die Hälfte seines tarifvertraglichen Jahresurlaubs gewährt worden sei. Verstöße gegen die Vorschriften über die täglichen Ruhezeiten in den Monaten April bis Juni 2009 habe der Kläger trotz Bestreitens der Beklagten nicht bewiesen, seine Lenkzeiten an den einzelnen Tagen habe er trotz entsprechender Auflage nicht dargelegt.
Gegen dieses ihm am 18. Januar 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Februar 2009 eingelegte und am 29. März 2009 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung des Klägers. Er behauptet in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrages zu einem auch Resturlaub aus dem Vorjahr umfassenden Urlaubsantrag vom 14. Juli 2009 (Ablichtung Bl. 25 d. A.) auch in der Zeit vom 16. bis 27. November 2009 Urlaub erhalten und die restlichen Tage im Januar 2010 genommen zu haben.
In den Monaten April bis August 2009 sei es auf Grund seines Einsatzes durch die drei Disponenten der Beklagten zu neun Verstößen gegen gesetzliche Vorgaben zur Ruhezeit, drei Tageslenkzeitenverstößen und 41 Verstößen gegen die Vorgaben zu Lenkzeitunterbrechungen gekommen. Diese Verstöße ließen sich den Auswertungen der Schaublätter seines Lkw (Ablichtung Bl. 261 bis 271 d. A.) entnehmen. Darin sei eine als Mobbing zu wertende permanente Schikane zu sehen, durch die er nach einem im September 2007 erlittenen Herzinfarkt einer erheblichen Gefahr für seine Gesundheit ausgesetzt worden sei. Durch permanenten Mangel an Schlaf- und Ruhezeit leide er zudem unter Schlafstörungen und Bluthochdruck.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil wie folgt zu ändern:
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Urlaubsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 881,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.07.2009 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger gemäß Artikel 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden unter der Maßgabe zu gewähren, dass die Ruhezeit höchstens drei mal pro Woche auf nicht weniger als neun zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger, sofern dieser keine Ruhezeit nimmt, eine Lenkzeitunterbrechung von mindestens 45 Minuten nach einer Gesamtlenkdauer von 270 Minuten zu gewähren, wobei die tägliche Lenkzeit neun Stunden und die wöchentliche Lenkzeit 56 Stunden nicht überschreiten d...