Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz nach § 612 a BGB nicht vor Vertragsschluss. Diskriminierung, sexuelle Identität, überwiegende Wahrscheinlichkeit
Leitsatz (amtlich)
Schadenersatz nach § 612 a BGB kann nur im bestehenden Arbeitsverhältnis beansprucht werden. Auf Stellenbewerber findet § 612 a BGB keine Anwendung.
Normenkette
AGG §§ 7, 22; BGB § 612a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 23.01.2008; Aktenzeichen 9 Ca 18997/07) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.01.2008 – 9 Ca 18997/07 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung hat bei einem Streitwert von 4.900,00 EUR die Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch in der Berufungsinstanz um Ansprüche auf Entschädigung und Schadenersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie zusätzlich um Schadenersatz nach § 612a BGB.
Die homosexuelle Klägerin ist mit einem GdB von 90 schwerbehindert und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie bewarb sich Ende Juli 2007 bei der Beklagten um eine Teilzeitbeschäftigung als Auslieferungsfahrerin zu einem monatlichen Einkommen von 350,– EUR. Die Parteien vereinbarten, dass die Klägerin zunächst an zwei Tagen zur Probe arbeite.
Am zweiten Tag der Probearbeit wurde die Klägerin von einer im Büro der Beklagten beschäftigten Mitarbeiterin aufgefordert, ihre Sozialversicherungsnummer und ihre Bankdaten mitzuteilen. Ob diese Aufforderung im Hinblick auf die geplante Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses oder wegen einer Abrechnung der Probearbeit erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig.
In einem Gespräch mit der Büromitarbeiterin der Beklagten erzählte die Klägerin, dass sie zuvor unter anderem in einem Call-Center gearbeitet habe, dessen Arbeitgeber aus Berlin verschwunden sei und gegen den sie Klage vor dem Arbeitgericht eingereicht habe.
Hinsichtlich der angestrebten Beschäftigung erhielt die Klägerin vom Jobcenter telefonisch eine Absage. Auf ihre telefonische Nachfrage bei der Beklagten erklärte der Personalverantwortliche der Beklagten Herr W. L. der Klägerin, dass es sich um eine persönliche Entscheidung handele.
Im Betrieb des Vaters des Herrn W. L. wurden in der Vergangenheit bereits homosexuelle Mitarbeiter beschäftigt. Herr W. L. hatte als Jugendlicher im Betrieb freundschaftliche Beziehungen zu diesen Mitarbeitern. Auch in seiner eigenen Familie gibt es homosexuelle Personen.
Die Klägerin trägt vor, dass Herr W. L. am zweiten Tag der Probearbeit persönlich auf die Klägerin getroffen sei. Bei diesem Zusammentreffen habe die Klägerin einen Ohrring mit der Regenbogenfarbe sowie eine rote Aids-Schleife auf ihrem Rucksack getragen. Weiter habe sich auf dem Rucksack ein Sticker mit einer Regenbogenfahne befunden.
Herr L. sei beim Anblick der Klägerin mit dem Ohrring mit der Regenbogenfahne und der Aids-Schleife auf dem Rucksack erstarrt und habe plötzlich sein Verhalten geändert.
Kurz darauf habe die Klägerin entgegen der vorherigen Mitteilung der Büromitarbeiterin der Beklagten, dass es nach Rücksprache ganz gut aussehe, eine Absage bezüglich einer Festanstellung erhalten. Auf telefonische Nachfrage der Klägerin habe Herr L. ihr erklärt, dass er mit ihrer Arbeit sehr zufrieden gewesen sei, dass er sich aber als selbständiger Geschäftsmann vorbehalte, wer bei ihm einen Vertrag erhalte und wer nicht. Die Klägerin meint, dass er dabei auf die sexuelle Identität der Klägerin abgezielt habe.
Die Beklagte bestreitet, dass Herr L. beim Zusammentreffen mit der Klägerin erstarrt sei oder sein Verhalten geändert habe. Der Klägerin sei auch zu keinem Zeitpunkt eine Festanstellung zugesagt worden. Der Grund für die Nichteinstellung habe allein darin bestanden, dass die Büro-Mitarbeiterin Frau La. Herrn W. L. mitgeteilt habe, dass die Klägerin ihren bisherigen Arbeitgeber verklage. Die Beklagte habe zwar nichts dagegen, dass die Klägerin einen früheren Arbeitgeber verklage, aber der Umstand, dass die Klägerin dieses beim neuen Arbeitgeber sogleich erzählt habe, sei aus ihrer Sicht nicht akzeptabel. Herr L. habe keine Vorurteile gegen Homosexuelle.
Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) abgesehen.
Mit Urteil vom 23. Januar 2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung in erster Linie ausgeführt, dass die Klägerin keine hinreichenden Indizien für eine Benachteiligung aufgrund ihrer sexuellen Identität dargelegt habe. Es ergebe sich aus dem klägerischen Vortrag keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Kausalität zwischen der Homosexualität und der Nichteinstellung der Klägerin. Die Klägerin habe nicht näher dargelegt, woraus sie entnehme, dass Herr L. Sticker und Ohrring wahrgenommen habe. Auch die behauptete Verhaltensänderung des Herrn L. sei nicht näher dargelegt. Auch sei nicht allgemein bekannt, dass die Regenbogenfahne für Homosexualität stehe. Wegen des weiteren Urteilsinhalts wird ...