Entscheidungsstichwort (Thema)
Falsche Arbeitszeiterfassung als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung. Wegfall des Beschäftigungsbedarfs als Grund für eine betriebsbedingte Kündigung. Darlegungs- und Beweislastverteilung im Diskriminierungsprozess nach dem AGG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die wissentliche und vorsätzlich falsche Erfassung der täglichen Arbeitszeiten, um damit Vergütung für nicht erbrachte Arbeitsleistungen zu erhalten, kann ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein. Gleiches gilt für vorsätzliche falsche Eingaben in eine elektronische Zeiterfassung.
2. Ein dringendes betriebliches Bedürfnis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Dies kann durch eine unternehmerische Organisationsentscheidung verursacht sein. Diese braucht zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht umgesetzt zu sein, es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet.
3. § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2; AGG §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 22
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 14.09.2017; Aktenzeichen 5 Ca 714 a/17) |
Tenor
- Die wechselseitigen Berufungen der Beklagten und des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn - Kammer Meldorf - vom 14.09.2017, Az. 5 Ca 714 a/17, werden zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 4/9 und die Beklagte zu 5/9.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien führen einen Kündigungsrechtsstreit. Daneben begehrt der Kläger eine Entschädigung nach dem AGG.
Der 33-jährige Kläger ist bei der Beklagten, die zwei Restaurants und einen Pizza-Lieferservice betreibt, seit dem 01.05.2016 als Abteilungsleiter Marketing- und Qualitätsmanagement beschäftigt zu einem Monatsgehalt von 2.550,00 € brutto bei einer monatlichen Arbeitszeit von 170 Stunden. Zum Aufgabenbereich des Klägers zählten im Wesentlichen die Außendarstellung des Unternehmens, die Statistikauswertung zur Analyse der Marktstrategie sowie Preiskalkulationen für die Erstellung von Speise- und Eiskarten. Der Kläger war u. a. eingesetzt in den Bereichen Personalgewinnung und Personaleinsatzplanung sowie im Aufbau einer Warenwirtschaft. Zuletzt arbeitete er seit April 2017 überwiegend als Telefonist im Service-Center in H... . Es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Beklagte den Bereich Marketing- und Qualitätsmanagement zum 01.08.2017 outsourcte.
Für die Mitarbeiter der Beklagten werden auf arbeitsvertraglicher Grundlage Arbeitszeitkonten geführt. Dies ist für den Kläger in § 4 des Arbeitsvertrages vom 24.05.2016 geregelt (Bl. 5 ff. d. A.). Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihre Arbeitszeiten über ein Computerprogramm festzuhalten. Dafür loggen sich die Mitarbeiter über ein Zeiterfassungssystem am Computer des jeweiligen Einsatzortes selbstständig ein und aus. Der Kläger konnte sich dafür sowohl von dem Computerterminal an seinem Arbeitsplatz im Verwaltungsgebäude der Beklagten in H... als auch von den Computerterminals in den Restaurantfilialen der Beklagten ein- und ausloggen. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob sich der Kläger von April bis Anfang Juni 2017 regelmäßig zur Mittagspause erst im Restaurant, welches sich neben dem Verwaltungsgebäude in H... befindet, ausloggte und nach der Mittagspause bereits im Restaurant wieder einloggte, obgleich er nach dem Einloggen dort noch eine Weile blieb.
Der Kläger ist homosexuell und hat einen Lebenspartner. Dies war dem Geschäftsführer der Beklagten bei dessen Einstellung bekannt. Am 27.02.2017 stritten sich der Kläger und dessen Kollege B.. Während dieses Streits bezeichnete der Zeuge B. den Kläger u. a. als "Schwuchtel". Der Kläger beschwerte sich wegen dieser Beleidigung sogleich bei dem Geschäftsführer der Beklagten. Die Beklagte ergriff keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen gegen den Zeugen B.. Während zweier Gespräche Anfang März 2017 und im Mai 2017 fragte der Geschäftsführer den Kläger u.a. nach der Rollenverteilung innerhalb seiner gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Die Diktion dieser Frage und die näheren Umstände des Gesprächs sind streitig.
Der Kläger war vom 30.05.2017 bis zum 09.06.2017 arbeitsunfähig krank. Als er sich bei der Verwaltungschefin, der Zeugin W., telefonisch krank meldete, berichtete er dieser, dass sein Freund einen Bluttest habe machen lassen und der Arzt seinen Freund und ihn nun zu einer Besprechung in die Praxis gebeten habe, worüber er sehr beunruhigt sei. Dies erzählte die ...