Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtarbeitszuschlag. Angemessenheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in § 6 Abs. 5 ArbZG normierte Ausgleichspflicht für Nachtarbeit dient dem Ausgleich der mit der Nachtarbeit für den Arbeitnehmer verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen und soll den Arbeitgeber im Interesse des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers finanziell belasten.
2. Bei der Ermittlung eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags kann kein einheitlicher Prozentsatz angesetzt werden, weil bei der Beurteilung der Angemessenheit der Leistung auch die Gegenleistung zu berücksichtigen ist und darüber hinaus auch die Umstände des Einzelfalls nicht außer Betracht gelassen werden dürfen.
3. Tarifvertragliche Regelungen im Wirtschaftsgebiet des Arbeitgebers sind nicht in dem Sinne anzuwenden, dass sie stets die Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlages wiedergeben. Sie können aber eine Orientierung bieten.
4. Ein angemessener Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG kann auch unterhalb des Tarifniveaus liegen.
Normenkette
ArbZG § 6 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 13.02.2007; Aktenzeichen 6 Ca 1900/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 301,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 297,99 EUR vom 01.01.2004 bis 18.09.2006, aus 369,64 EUR vom 01.01.2005 bis 18.09.2006, aus 650,37 EUR vom 01.01.2006 bis 18.09.2006 und aus 171,57 EUR vom 01.08.2006 bis 18.09.2006 sowie aus 133,62 EUR seit 01.01.2004 und aus 168,00 ? seit 01.01.2005.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 89 % und die Beklagte 11 % zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags.
Der 1946 geborene Kläger war von Mai 1991 bis zum 31.07.2006 als vollzeitbeschäftigter Wachmann gegen eine Bruttovergütung von zuletzt 4,76 EUR beschäftigt auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 29.11.1993.
Der Kläger war – abgesehen von Wochenendschichten – ausschließlich in Nachtschichten in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr als Wachmann im Gebäude der Europauniversität V. in Frankfurt (Oder) eingesetzt. Er hatte dort die in der ab 01.11.2003 geltenden Leistungsbeschreibung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 42 d.A.), genannten Aufgaben zu erfüllen und innerhalb einer Schicht mehrere Kontrollgänge durchzuführen. Im Übrigen hielt sich der Kläger in einem Büroraum auf, der nicht mit Überwachungsmonitoren ausgestattet war und nur Oberlichter hatte.
Mit dem Schreiben vom 02.08.2006 hat der Kläger die Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 25 % für die Jahre 2003 bis 2006 geltend gemacht. Die Beklagte zahlte daraufhin einen Betrag von 1.491,40 EUR, ausgehend von einer Zuschlagshöhe von 7 % für die Jahre 2003 und 2004 sowie 12 % ab 2005.
Der Kläger hat mit seiner Klage zuletzt seine Forderung wie folgt berechnet:
2003 |
129 Nachtschichten |
903 Std. |
1.074,57 EUR |
2004 |
160 Nachtschichten |
1120 Std. |
1.332,80 EUR |
2005 |
163 Nachtschichten |
1.141 Std. |
1.357,79 EUR |
2006 |
43 Nachtschichten |
301 Std. |
358,19 EUR |
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4.123,35 EUR |
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Abzügl. gez. |
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1.491,40 EUR |
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2.631,95 EUR |
Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hat durch das am 13.02.2007 verkündete Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 57 bis 59 d. A.), der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Nachtarbeitszuschlag sei nicht bereits mit dem teilweise übertariflichen Stundenlohn abgegolten und seine Geltendmachung auch nicht verwirkt. Angemessen sei ein Zuschlag von mindestens 25 %; der Höhe der tariflichen Zuschläge könne keine wesentliche Bedeutung zukommen, weil diese im Gesamtgefüge der tariflichen Regelungen zu sehen sei.
Gegen dieses ihr am 12.03.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 03.04.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 12.06.2007 – am 31.05.2007 begründet.
Die Beklagte hält einen Nachtarbeitszuschlag, der über den geleisteten von 7 % bzw. 12% hinausgeht, für nicht angemessen und trägt hierzu vor: Der Kläger habe während der Nachtschicht von 22 Uhr bis 6 Uhr nur drei 15- bis 20 minütige Innen- und Außenkontrollgänge zu absolvieren gehabt und sich im Übrigen in einem mit Radio, Fernseher, Mikrowelle, Kühlschrank und bequemen Möbeln ausgestatteten Raum aufgehalten. Dort habe er sich entspannen können und vergleichbar einem Rettungssanitäter nur auf mögliche von außen einwirkende Ereignisse (Feuer, Rauch, fremde Personen etc.) zu reagieren gehabt. Deshalb müsse berücksichtigt werden, dass bei Rettungssanitätern regelmäßig nur ein Zuschlag von 10 % für angemessen erachtet wird.
Die Berufung des Arbeitsgerichts auf die Rechtsprechung des BAG zur „Orientierungshilfe” von Tarifverträgen sei deshalb nicht nachvollziehbar, weil in den dort entschiedenen Fäl...