Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Gehaltsanpassung. Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vergütungsanpassungsklausel
Leitsatz (amtlich)
Eine Vertragsklausel, wonach die Vergütung regelmäßig nach Ablauf von drei Jahren zu überprüfen und ggf. zu erhöhen ist, eröffnet nicht bloß einen ergebnisoffenen Verhandlungsanspruch, sondern begründet einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine entsprechende Leistungsbestimmung.
Normenkette
BGB §§ 157, 315
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 19.10.2011; Aktenzeichen 6 Ca 964/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 19.10.2011 - 6 Ca 964/11 - dahin geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 16.156,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 18.05.2011 zu zahlen.
2. Das Jahresgehalt des Klägers beträgt 117.925,00 € brutto.
3. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 41,93 % und die Beklagte zu 58,07 % zu tragen.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger steht aufgrund eines Dienstvertrags vom 30.04.1993 (DV) als Chefarzt der Klinik für Urologie in den Diensten der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin.
In § 1 Abs. 2 DV war die Geltung des BAT-O in der jeweils gültigen Fassung vereinbart. Nach § 8 Abs. 1 und 8 DV sollte der Kläger ein Einkommen in Höhe des 1,3-fachen Betrags der Bezüge nach der jeweils höchsten tariflichen Vergütungsgruppe für angestellte Ärzte erhalten. Daneben wurde ihm das Liquidationsrecht für gesondert berechnete wahlärztliche Leistungen eingeräumt.
Unter dem 03./04.08.2004 trafen die Parteien eine "Vereinbarung", wonach der Kläger ab 01.01.2004 ein Jahresgehalt in Höhe von 105 T€ brutto erhalten sollte, zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten. In Nr. 2 war geregelt:
"Die Vergütung gemäß 1. ist regelmäßig nach Ablauf von drei Jahren zu überprüfen und ggf. zu erhöhen. Bei der Überprüfung hat die Einkommenssituation der Ärzte im Klinikum besonderes Gewicht, die nach Maßgabe der tariflichen Regelung vergütet werden. Ferner ist die Einkommenssituation der Gruppe der Chefärzte des Klinikums zu berücksichtigen, soweit diese durch Privatliquidationseinnahmen und sonstige Einnahmen für Nebentätigkeiten geprägt ist."
Im Jahr 2008 leistete die Beklagte dem Kläger laut ihrem Schreiben vom 23.07.2008 (Ablichtung Bl. 66 GA) eine einmalige Zahlung in Höhe von 25 T€ brutto in Anerkennung seiner "besonderen Leistungen ... im Zusammenhang mit dem Transformationsprogramm".
Mit Schreiben vom 18.01.2010 (Ablichtung Bl. 67 GA) brachte der Kläger unter Hinweis auf die Vereinbarung vom 03./04.08.2004 vor, dass jetzt schon die zweite Überprüfung und ggf. Erhöhung seiner Vergütung fällig sei, die 2007 nicht stattgefunden hätten. In einem weiteren Schreiben vom 03.09.2010 (Ablichtung Bl. 68-70 GA) führte der Kläger aus, dass eine sich aus einer Überprüfung ergebende Anpassung seiner Bezüge für die Zeit ab 01.01.2009 durch die Prämienzahlung in 2008 nicht als ausgeglichen angesehen werden könne.
Nach mehreren fruchtlosen Gesprächen mit dem Geschäftsführer der Beklagten über eine Änderung der Vergütungsregelung hat der Kläger mit seiner am 17.05.2011 zugestellten Klage unter Hinweis auf eine Statistik der Beklagten über die "Tarifsteigerung 2006 bis 2010" (Ablichtung Bl. 26 GA) Zahlung restlicher Vergütung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.03.2011 in Höhe von 34.581,75 € brutto und Feststellung eines Jahresgehalts von 124.845,00 € brutto, hilfsweise im Wege der Stufenklage Gehaltserhöhung und Zahlung auf der Grundlage einer zu erteilenden Auskunft begehrt.
Das Arbeitsgericht Potsdam hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Nr. 2 der Vereinbarung vom 03./04.08.2004 regele nur eine regelmäßige Überprüfungspflicht, nicht dagegen einen Anspruch auf Erhöhung der Vergütung, wie sich bereits aus dem einschränkenden Zusatz "ggf." ergebe. Außerdem ergebe sich dies daraus, dass nicht geregelt sei, in welchem Verhältnis die Einkommensentwicklung der tariflich beschäftigten Ärzte und der Chefärzte mit Privatliquidation bei der Erhöhung des Jahresgehalts des Klägers hätten berücksichtigt werden sollen. Der Kläger habe auch keinen Schadenersatzanspruch, weil die Parteien außergerichtlich versucht hätten, eine Erhöhung der Vergütung zu verhandeln. Mangels Anspruchsgrundlage für einen Zahlungsanspruch sei auch der hilfsweise geltend gemachte Auskunftsanspruch abzuweisen.
Gegen dieses ihm am 09.12.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 06.01.2012 eingelegte und am 08.02.2012 begründete Berufung des Klägers. Er meint, "ggf. zu erhöhen" bedeute, dass eine Erhöhung seines Jahresgehalts zu erfolgen habe, wenn die Überprüfung zuvor eine Erhöhung des Einkommens der Vergleichsgruppen ergeben habe. Da die Beklagte ihm keine Auskunft über die Einkommensentwicklung gegeben habe und die Einkommenssituation der Chefärzte lediglich "zu berücksichtigen" sei, könne er sich für seine Forderung...