Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall von Ansprüchen wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung. Anforderungen an ein Anspruchsschreiben

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus einem Anspruchsschreiben, das die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 TVöD wahren soll, muss hervorgehen, welche konkreten Forderungen geltend gemacht werden sowie den Umfang, die Höhe und den Zeitraum, für den die Forderungen verfolgt werden.

 

Normenkette

RL 2003/88/EG Art. 22 Abs. 1; TVöD-V § 37 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 1, 4 S. 3; TVöD-V § 37

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 22.03.2017; Aktenzeichen 4 Ca 2120/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.04.2019; Aktenzeichen 6 AZR 104/18)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 22. März 2017 - 4 Ca 2120/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit sowie über Ansprüche des Klägers auf finanziellen Ausgleich für in den Jahren 2013 bis 2015 über 48 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitszeit.

Der Kläger ist bei der beklagten Stadt seit dem 1. Juni 2011 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 3. März 2011 als Beschäftigter im feuerwehrtechnischen Einsatzdienst beschäftigt. Aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für die Verwaltung im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) - Tarifgebiet Ost - in der jeweils geltenden Fassung (im Folgenden: TVöD-V) Anwendung. Dieser verweist in D.2 Nr. 2 Abs. 1 der Anlage D bezüglich der Arbeitszeit der Beschäftigten im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst auf die entsprechenden beamtenrechtlichen Bestimmungen.

Die beklagte Stadt organisierte die Dienste des feuerwehrtechnischen Einsatzdienstes in den Jahren 2013, 2014 und 2015 in Form von 24-Stunden-Diensten mit anschließend zwei freien Tagen. Einen Antrag i. S. d. § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeidienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg (BbgAZVPFJ) vom 16. September 2009 (GVBl. II/09, S. 686), im 24-Stunden-Dienst mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 56 Stunden wöchentlich eingesetzt zu werden, hatten der Kläger und die übrigen bei der beklagten Stadt beschäftigten Feuerwehrleute gestellt.

Auf die Klage eines bei der Stadt Cottbus beschäftigten beamteten Feuerwehrmanns vertrat das Verwaltungsgericht Cottbus mit Urteil vom 28. Februar 2013 - VG 5 K 914/11 - (juris) die Auffassung, § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ verstoße gegen das Unionsrecht, da entgegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 (ABl. Nr. L 299, S. 9 EG) weder in der Verordnung noch im übrigen Dienstrecht des Landes Brandenburg geregelt sei, dass die fehlende Bereitschaft, wöchentlich durchschnittlich über 48 Stunden hinaus zu arbeiten, keine Nachteile nach sich ziehen dürfe. Die beklagte Kommune könne sich daher nicht auf die Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie berufen. Der klagende Feuerwehrmann habe einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch in Form einer Geldentschädigung für die über eine regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden hinausgehenden Stunden, da Freizeitausgleich aus zwingenden dienstlichen Gründen innerhalb eines Jahres nicht gewährt werden könne. Die Entschädigung bemesse sich nach den zum jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Mehrarbeitsvergütungssätzen. Mit Urteil vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 32.15 - schloss sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Auffassung des Verwaltungsgerichts grundsätzlich an, stützte die Unionsrechtswidrigkeit des § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ aber darauf, dass der nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. Art. 16 Abs. 3 Buchst. c Buchst. iii und Art. 19 UAbs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie höchstzulässige Bezugszeitraum von vier bzw. sechs Monaten nicht eingehalten sei. Auf die vom Bundesverwaltungsgericht gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zugelassene Revision wies das Bundesverwaltungsgericht die Klage mit Urteil von 20. Juli 2017 - 6 B 32.16 - für die Zeit vor der erstmaligen Geltendmachung der Ansprüche ab. Im Übrigen schloss es sich - ebenso wie in zahlreichen Parallelverfahren - der Begründung des Verwaltungsgerichts an und verwies den Rechtsstreit wegen der konkreten Berechnung des Entschädigungsanspruchs an das Oberverwaltungsgericht zurück (Pressemitteilung Nr. 53/2017 vom 21.07.2017, nunmehr mit Entscheidungsgründen abrufbar über juris).

§ 21 BbgAZVPFJ in der Ursprungsfassung vom 16. September 2009 lautete - soweit hier von Bedeutung - auszugsweise wie folgt:

"§ 21

Regelmäßige Arbeitszeit mit Bereitschaftszeit

...

(2) Die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes, die in Schichten Dienst leisten, beträgt unter Berücksichtigung der Bereitschaftszeit wöchentlich einschließlich Mehrarbeitsstunden im ...

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