Entscheidungsstichwort (Thema)
Praktikum zum Rettungsassistenten
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Rettungssanitäter während seines Praktikums zum Rettungsassistenten auf den Einsatzfahrten als Zweitkraft eingesetzt, so steht ihm entsprechend § 612 BGB für diese Zeiten eine entsprechende Vergütung zu. Die vereinbarte Unentgeltlichkeit der Beschäftigung als Praktikant steht dem nicht entgegen.
Normenkette
BBiG § 17 Abs. 1 S. 1, § 26; BGB § 612; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Senftenberg (Urteil vom 26.08.2010; Aktenzeichen 4 Ca 143/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 26.08.2010 – 4 Ca 143/10 wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 26.08.2010 – 4 Ca 143/10 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie der Beklagte zur Zahlung von mehr als 4.052,- EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 405,20 EUR seit dem 03.02., 03.03., 02.04., 05.05., 03.06., 02.07., 04.08., 02.09., 02.10., 03.11. und 02.12.2009 verurteilt worden ist, und die Klage auch insoweit abgewiesen.
3. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 47,72 % und der Beklagte zu 52,28 % zu tragen.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die als Rettungssanitäterin ausgebildete Klägerin trat gemäß „Praktikantenvertrag-Lehrrettungswache” vom 27. November 2008 (Abl. Bl. 6 GA) zwecks Fortbildung zur Rettungsassistentin in ein Rechtsverhältnis zum Beklagten, das von Dezember 2008 bis November 2009 bestand. Die Zahlung einer Vergütung wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Unter demselben Datum unterzeichnete die Klägerin eine Erklärung, wonach sie auf alle ihr möglicherweise nach dem Berufsbildungsgesetz oder anderen Vorschriften zustehenden finanziellen Ansprüche aus dem Praktikantenvertrag verzichtete (Abl. Bl. 84 GA). Für ihre Beschäftigung als Rettungssanitäterin im Mai 2009 erhielt die Klägerin aufgrund einer gesonderten Vereinbarung eine Vergütung von 1.620,80 EUR brutto.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gemäß § 2 der Anlage 5 zum D.-Tarifvertrag Land Brandenburg in der Fassung vom 1. Januar 2009 (D.-TV) als Praktikantin für den Beruf des Rettungsassistenten eine monatliche Vergütung von 613,- EUR zu. Darüber hinaus könne sie aufgrund ihrer Beschäftigung als Rettungssanitäterin gemäß dem D.-TV in Entgeltgruppe D Stufe 1 sogar eine Vergütung von monatlich 1.620,80 EUR beanspruchen, die sie allerdings zunächst nur für November 2009 geltend mache. Sie sei lediglich im Dezember 2008 als dritte Kraft auf einem Rettungswagen mitgefahren, während sie ab Januar 2009 allein mit einem Lehrrettungsassistenten eingesetzt worden sei.
Das Arbeitsgericht Senftenberg hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für elf Monate 6.743,- EUR nebst Verzugszinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, auf das Praktikantenverhältnis der Parteien finde der D.-TV Anwendung, weil sich dessen Geltungsbereich gemäß seinem § 1 Abs. 1 auf alle Mitarbeiter des D. im D.-Landesverband Brandenburg e.V., dessen Verbänden, deren Untergliederungen, Einrichtungen und Gesellschaften aller Art erstrecke, sofern diese Mitglied der Landestarifgemeinschaft des D. seien. Die Vereinbarung, wonach die Klägerin während ihres Praktikums keinen Vergütungsanspruch habe, verstoße ebenso wie die Verzichtserklärung gegen § 4 Abs. 3 TVG. Für November 2009 stehe der Klägerin keine Vergütungsdifferenz zu, weil sie nicht konkret vorgetragen habe, zu mehr als der Hälfte als Rettungsassistentin tätig gewesen zu sein.
Gegen dieses ihr am 27. Januar 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. Februar 2011 eingelegte und am 11. April 2011 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihren Vortrag zu ihrer Beschäftigung und verweist auf die Vorschriften über die Besetzung von Rettungswagen und auf die entsprechende Abrechnung des Beklagten gegenüber seinen Auftraggebern. Die Klägerin räumt ein, dass sich die Einsätze auf rd. 25 % der Schichtzeiten beschränkt hätten. Während der übrigen Zeiten habe sie aber auch vor- und nachbereitende Tätigkeiten verrichtet. Ausbildungsmaßnahmen durch den Lehrrettungsassistenten seien ebenfalls erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie weitere 1.007,80 EUR zu zahlen.
Der Beklagte, der gegen das ihm am 26. Januar 2011 zugestellte Urteil ebenfalls am 25. Februar 2011 Berufung eingelegt und diese am 25. März 2011 begründet hat, beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die Klage unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzuweisen.
Er hält die Klage bereits mangels Bestimmtheit für unzulässig und meint, das Arbeitsgericht habe die auf einen Teil der Vergütung als Rettungssanitäterin gerichtete Klage nicht auf die Praktikantenvergütung beziehen dürf...