Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinreichende Bestimmtheit eines Feststellungsantrags. Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten. Anziehen einer Uniform als vierzehn Minuten Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO ist zulässig, wenn der Antrag hinreichend bestimmt ist und ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung besteht. Dies ist hier bei der Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten der Fall.

2. Umkleide- und Rüstzeiten sind fremdnützig und deshalb vergütungspflichtige Arbeitszeit. Das häusliche An- und Ablegen der besonders auffälligen Uniform erfolgt ausschließlich für den Arbeitgeber und ist ohne die Hauptleistung auch nicht denkbar.

3. Die Umkleidezeit ist täglich mit vierzehn Minuten zu schätzen.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 611; ArbZG § 16 Abs. 2; BGB § 611a; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 31.01.2019; Aktenzeichen 58 Ca 12525/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.10.2021; Aktenzeichen 5 AZR 38/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Januar 2019 - 58 Ca 12525/17 - teilweise abgeändert und

1. festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die vom Kläger in der Zeit seit dem 01. Februar 2017 bis 30. April 2017 und vom 11. März 2018 bis 01. Juni 2019 an den Tagen, an denen er tatsächlich eingesetzt wurde, jeweils im häuslichen Bereich erbrachte zusätzliche Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) sowie das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen einschließlich der Waffe (Rüsten) im Umfang von insgesamt 14 Minuten (bestehend aus 7 Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und 7 Minuten nach dem offiziellen Dienstende) nach Maßgabe der tariflichen Vorschriften des TV-L nach der zutreffenden Entgeltgruppe des Klägers zu vergüten;

2. festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die vom Kläger in der Zeit seit dem 01. Mai 2017 bis 06. März 2018 und seit dem 02. Juni 2018 an den Tagen, an denen er tatsächlich eingesetzt wurde, jeweils im betrieblichen Bereich in den dienstlichen Umkleidebereichen erbrachte zusätzliche Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) sowie das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen einschließlich der Waffe (Rüsten) im Umfang von insgesamt 14 Minuten (bestehend aus 7 Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und 7 Minuten nach dem offiziellen Dienstende) nach Maßgabe der tariflichen Vorschriften des TV-L nach der zutreffenden Entgeltgruppe des Klägers zu vergüten;

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird für den Kläger hinsichtlich des Hilfsantrags zum Antrag zu 2.) und 8.) zugelassen, soweit die Vergütung der Wegezeiten abgewiesen wurde. Im Übrigen wird sie für die Parteien nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten, um Ansprüche auf Zuschläge, die Berechnung von Urlaub und Zusatzurlaub bei Wechselschichttätigkeit, um die Gewährung von Ruhezeiten, Zeitgutschriften auf dem Arbeitszeitkonto für geleistete Mehrarbeit an Vorfeiertagen und Feiertagen, um die Anzahl beschäftigungsfreier Sonntage und über Zulässigkeit der Beschäftigung an mehr als fünf Tagen pro Woche.

Der am ... 1988 geborene Kläger ist seit dem 16. Januar 2012 als Wachpolizist im zentralen Objektschutz bei dem beklagten Land beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis wenden die Parteien den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) an. Dieser enthält u. a. folgende Regelungen:

"(...)

§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit

(1) Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen

(...)

b) beträgt im Tarifgebiet West 38,5 Stunden für die nachfolgend aufgeführten Beschäftigten:

aa) Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten

(...)

Bei Wechselschichtarbeit werden die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen in die Arbeitszeit eingerechnet. 3Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.

(2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 kann bei Beschäftigten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, sowie für die Durchführung so genannter Sabbatjahrmodelle ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.

(3) Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, wird die/der Beschäftigte am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Tabellenentgelts und der sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile von der Arbeit freigestellt. Kann die Freistellung nach Satz 1 aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht erfolgen, ist...

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