Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Konsultation mit dem Betriebsrat bei einer Massenentlassung
Leitsatz (amtlich)
Die Konsultation mit dem Betriebsrat ist bei einer Massenentlassung nur dann ordnungsgemäß, wenn in einem faktisch abhängigen Unternehmen nicht nur die vorgründigen Gründe, sondern die Hintergründe ausführlich mitgeteilt werden.
Normenkette
KSchG § 17 Abs. 3a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.07.2015; Aktenzeichen 18 Ca 1897/15) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Juli 2015 - 18 Ca 1897/15 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 5.109,57 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstilllegung sowie hilfsweise über die Zahlung eines Nachteilsausgleichs.
1.
Die Klägerin ist 49 Jahre alt, verheiratet gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtig. Sie ist seit dem 1. April 1992 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Angestellte im Bereich Check-In und Pasco (Vorbereitung und edv-mäßige Aufarbeitung der erforderlichen Daten) und auf dem Flughafen T. in Berlin in Teilzeit (25 Wochenstunden) mit einem Bruttomonatseinkommen in Höhe von 1.703,19 EUR beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der W. Unternehmensgruppe. Die W. erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Aviation, Facility und Industrie. Die W. A. Service Holding ist ein führender Spezialist für Flughafendienstleistungen. Kerngeschäft sind bodennahe Verkehrsdienstleistungen für Flughäfen und Fluggesellschaften, die das Unternehmen überwiegend mit eigenen Mitarbeitern erbringt. Im Einzelnen sind dies Airport Service, Ground Service, Passage Service, Cargo Service und Airport Personal Service.
Die Beklagte erbrachte mit insgesamt ca. 190 Arbeitnehmern weitgehend auf dem Flughafen Berlin-T. sowie mit zuletzt noch 14 Arbeitnehmern auf dem im Bundesland Brandenburg gelegenen Flughafen Berlin-Sch. verschiedene Dienstleistungen im Bereich der Passagierabfertigung (Passage Service). Im Bereich Check-In waren ca. 123 Arbeitnehmer tätig, im Bereich Gepäckermittlung (Lost & Found) ca. 41 Arbeitnehmer, davon 14 auf dem Flughafen Sch., im Bereich Datenbasis (IT-seitige Flugvorbereitung) 7 Arbeitnehmer und im Bereich VIP-Service (Betreuung der VIP-Lounge in T.) ca. 3 Arbeitnehmer tätig. Weitere Tätigkeiten entfaltete die Beklagte nicht. Einzige Auftraggeberin der Beklagten war die G. Berlin GmbH & Co. KG (GGB).
Die GGB wurde im Jahre 2008 durch die W. Gruppe erworben. Im Jahre 2011/2012 erfolgten eine organisatorische und eine rechtliche Trennung der verschiedenen Geschäftsbereiche der GGB in Passage bzw. Passagierabfertigung, Rampe bzw. Vorfeld, Verwaltung und Werkstatt. Während die Verwaltung bei der GGB verblieb, wurde der Bereich Werkstatt von der W. A. W. Service Berlin GmbH & Co. KG, der Bereich Rampe bzw. Vorfeld von der AGSB A. G. Service Berlin GmbH & Co. KG und der Betrieb Passage bzw. Passagierabfertigung von der Beklagten fortgeführt.
Ob im Jahre 2013 sämtliche Aufträge von der GGB in die W. C. GmbH & Co. KG transferiert wurden oder ob dieses nur zu ca. einem Drittel geschah, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls beschäftigte die GGB spätestens Ende 2013 keine Arbeitnehmer mehr.
Am 30. Juni 2014 endete der Auftrag der Passagierabfertigung am Flughafen Sch. für die Beklagte und wurde zum 1. Juli 2014 von der GGB der PSS GmbH & Co. KG übertragen. Gesellschafter der Komplementär GmbH, der P. Service Sch. GmbH (PSS), sind die GGB und ein Herr R. Sch., der nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerseite im Rahmen eines Treuhandvertrages an Weisungen der W.-Konzernleitung gebunden ist.
Am 15. September 2014 wurde die P. GmbH gegründet. Gegenstand der Gesellschaft ist unter anderem die "Durchführung von Treuhandgeschäften", Herr R. Sch. wurde zu deren Geschäftsführer bestellt. Deren Geschäftsadresse befindet sich in einem Mehrfamilienhaus in der A. Str. 9, ... G.. Unter dieser Anschrift residiert auch die Firma P. Service T. GmbH (PST). Alleingesellschafter der Fa. PST ist laut Handelsregister die Fa. P. GmbH.
Die GGB ist die einzige Kommanditistin der Beklagten. Die Kommanditanteile der GGB werden von einem Unternehmen der W.-Gruppe gehalten. Komplementärinnen der Beklagten sind die Aviation P. S. Berlin Beteiligungs GmbH und die G. Berlin Beteiligungs GmbH. Deren Gesellschafter sind mit Herrn B. A. einerseits und Herrn G. B. und Herrn Dr. M. Sch. andererseits jeweils natürliche Personen. Die Beklagte gehört deshalb rechtlich weder zum Konzern der GGB noch zum W.-Konzern.
2.
Die GGB kündigte mit Schreiben vom 9. September 2014 die passageseitige Abfertigung der Flüge der Deutschen Lufthansa nach Frankfurt zum 24. September 2014 um 24:00 Uhr sowie die Flüge der Swiss am Flughafen T. zum 30. September 2014 um 24:00 Uhr. In dem Kündigungsschreiben ist als Kündigungsgrund ausgeführ...