Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trägt - nach allgemeinen Grundsätzen - der Arbeitnehmer. Ist unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend sechs Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihm behaupteten Beginn der "neuen" krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15, Rn. 19 f.).
2. Zwei selbständige Verhinderungsfälle liegen insoweit dann vor, wenn ein Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er - wie hier - nur für wenige, außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war (vgl. BAG 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88, Rn. 27).
Normenkette
EFZG § 3
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 02.11.2017; Aktenzeichen 2 Ca 569/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 02.11.2017 - 2 Ca 569/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei einer Erkrankung des Klägers um eine Fortsetzungserkrankung mit daraus resultierenden Entgeltfortzahlungsansprüchen gehandelt hat.
Der Kläger war ab November 2015 bei der Beklagten als Disponent beschäftigt. Am 25. Oktober 2016 erkrankte der Kläger an einem Bandscheibenvorfall. Ihm wurde in der Folgezeit bis zum 8. Januar 2017, einem Sonntag, Arbeitsunfähigkeit attestiert. Am 9. Januar 2017 stellte der Allgemeinmediziner Dr. K. dem Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen einer Pansinusitis aus. Am 26. Januar 2017 einigten die Parteien sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 3. Februar 2017. Die Beklagte rechnete für den Monat Januar 2017 einen Nettobetrag in Höhe von 248,05 Euro ab.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe Entgeltfortzahlung über den 8. Januar 2017 hinaus für den gesamten Monat Januar zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es für den Entgeltfortzahlungsanspruch insoweit nicht auf den Krankheitsbeginn, sondern auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit an. Beschwerden (Unwohlsein, Husten, Fieber) habe er erst am Morgen des 9. Januar 2017 gegen 6:00 Uhr festgestellt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.001,02 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 248,05 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die beiden Erkrankungen hätten sich überschnitten. Da es sich bei einer Sinusitis um kein plötzlich eintretendes Ereignis handele, müsse die Erkrankung schon am Tag zuvor - jedenfalls vor 24:00 Uhr - vorgelegen haben. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass er am Morgen Schmerzen im Bereich der Nase verspürt habe, aufgrund derer er sich zur Arbeit außerstande gesehen habe. Der Kläger bestätige mit seinem Vortrag, dass er schon am Sonntag arbeitsunfähig gewesen ist. Wenn eine Nasennebenhöhlenentzündung so schwerwiegend sei, dass sie schon am Morgen des Montags zur Arbeitsunfähigkeit führe, habe die Arbeitsunfähigkeit bereits am Vortag begonnen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des behandelnden Arztes Dr. K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2017.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass die Folgeerkrankung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erst am 9. Januar 2017 eingetreten sei, weswegen es sich nicht um eine Fortsetzungserkrankung gehandelt habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 31. März 2018 zugestellte Urteil am 13. April 2018 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. Juli 2018 - mit einem am 27. Juni 2018 bei Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung ihren erstinstanzlichen Vortrag. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der Kläger seinen Vortrag nicht ausschließlich auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und das Zeugnis des behandelnden Arztes stützen können. Dabei handele es sich nicht um ein ausreichendes Beweismittel. Zudem habe der Zeuge gerade nicht ausgeschlossen, dass der Kläger bereits vor 24:00 Uhr am Vortag erkrankt gewesen sei. Die Bekundungen des...