Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Geldentschädigung bei Nichtbeschäftigung wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Anspruch eines Chefarztes auf vertragsgemäße Beschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitnehmer hat nach § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 2, 1 GG Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung, welcher durch eine (rechtswidrige) Versetzungsanordnung des Arbeitgebers nicht beseitigt wird.
2. Der Arbeitnehmer erhält eine Geldentschädigung bei Nichtbeschäftigung, da dies eine rechtswidrige und schuldhafte Persönlichkeitsverletzung darstellt.
Normenkette
BGB §§ 611, 242; GG Art. 1-2; BGB §§ 823, § 305 ff.
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 10.10.2019; Aktenzeichen 11 Ca 5536/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.10.2019 - 11 Ca 5536/19 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 20.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2019 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.10.2019 - 11 Ca 5536/19 wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 8/13 und der Kläger 5/13 zu zahlen.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Beschäftigungsanspruch des Klägers. Weiter nimmt der Kläger die Beklagte wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts aufgrund der verweigerten tatsächlichen Beschäftigung als Chefarzt auf Entschädigung in Anspruch.
Der im Jahr 1957 geborene, verheiratete Kläger steht seit dem 01.01.2008 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Die Beklagte ist eine kommunale Krankenhausbetreiberin in Berlin, die 9 Krankenhäuser, 17 Pflegeheime, 2 Seniorenwohnhäuser, eine ambulante Rehabilitation, Medizinische Versorgungszentren, eine ambulante Krankenpflege, ein Hospiz sowie Tochtergesellschaften für Catering, Reinigung und Wäsche betreibt. Alleiniger Anteilseigner ist das Land Berlin. Die Beklagte ist nach ihrer Selbstdarstellung Deutschlands größter kommunaler Krankenhauskonzern mit ca. 17.370 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 1.367 Mio Euro (2019). Der Kläger, der 1985 seine chirurgische Ausbildung aufnahm, erwarb die beruflichen Zusatzbezeichnungen "Arzt für Visceralchirurgie" und "Arzt für Gefäßchirurgie und Proktologie". Nach Ausbildungen und ärztlichen Tätigkeiten im Ausland war der Kläger als Oberarzt bei der A tätig, wo er spezielle Kenntnisse in der minimalinvasiven Chirurgie von Darmerkrankungen erwarb, die zugleich Gegenstand seiner Professur wurden. Seit 2002 war er Chefarzt einer Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie in B, bis er 2008 nach einem Auswahlprozess als Chefarzt der Klinik für Chirurgie - Thorax-, Gefäß- und Visceralchirurgie von der Beklagten eingestellt wurde. Die Parteien vereinbarten zunächst mit Arbeitsvertrag vom 25.09.2007, dass der Kläger als leitender Arzt der Gesellschaft - Chefarzt der Klinik für Chirurgie - Visceral-, Thorax- und Gefäßchirurgie - im Klinikum C in Berlin eingestellt wird. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung enthält u. a. folgende Regelungen:
"§ 1 Grundlagen
(1) Der Arzt wird mit Wirkung vom 1. Januar 2008, spätestens aber zum 1. April 2008 als leitender Arzt der Gesellschaft - Chefarzt der Klinik für Chirurgie- Visceral- Thorax- und Gefäßchirurgie im Klinikum C eingestellt.
...
(5) Dem Arzt obliegt die Ausführung folgender Aufgaben:
- eine hochqualifizierte und umfassende Patientenversorgung in allen medizinischen Bereichen seines Fachgebietes zu leisten. Die Krankenversorgung erfolgt in enger Kooperation mit den Klinika der Gesellschaft, mit umliegenden Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens
- eine leistungsstarke und bedarfsgerechte Versorgungsqualität zu erbringen,
- nach ökonomischen und kaufmännischen Prinzipien zu führen und zu wirtschaften,
- eine hohe Akzeptanz nach innen zu den Mitarbeitern und nach außen zu den Patienten, niedergelassenen Ärzten und Kooperationspartner zu erreichen und
- für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der in den Klinika der Gesellschaft tätigen Heilberufe Einrichtungen und Lehrangebote vorzuhalten, um eine bestmögliche Qualität der Patientenversorgung und Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten.
...
§ 2 Dienstliche Stellung
...
(3) Die Klinik wird als Profitcenter geführt, d. h. es besteht ein Teilbudget für Einnahmen und Ausgaben auf Basis von geplanten Leistungen, Kosten und Erlösen. Die Gesellschaft liefert dazu die erforderlichen Kennziffern. Der Arzt übernimmt hierfür im Rahmen des ihm durch die Gesellschaft durch den vorliegenden Vertrag übertragenen Umfangs als Leiter der Klinik die Verantwortung.
...
§ 3 Aufgaben, Rechte und Pflichten
(1) Dem Arzt obliegt
a) die vor-, voll-, teil-, nachstationäre und die ambulante Behandlung aller Patienten der Klinik einschließlich der Patienten mi...