Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Altenpflegerin nach dem MTV P. S. vom 24.09.2004, Bewährungszeiten vor Inkraftteten des MTV
Leitsatz (amtlich)
1) Die Anwendbarkeit des Tarifvertrages setzt nicht den Abschluss eines Arbeitsvertrages voraus, in dem die Arbeitnehmerin auf ihre vertraglichen Rechte aus dem vorangegangenen Arbeitsvertrag verzichtet. Das ergibt sich bereits nicht aus dem Tarifvertrag. Es stände auch im Widerspruch zu der Wertung des § 4 Abs. 3 TVG.
2) Sowohl Wortlaut als auch Systematik, insbesondere aber Sinn und Zweck des MTV P. S. sprechen für die Berücksichtigung von Zeiten vor Inkrafttreten des Tarifvertrages im Rahmen der Bewährungszeiten. Es kann nicht angenommen werden, dass die Tarifpartner in einer Situation, in der es ihnen um eine konzernweite Angleichung der Arbeitsbedingungen ging und auf einen Teil der Arbeitsverhältnisse im Konzern bereits tarifliche Regelungen mit Bewährungsmöglichkeiten Anwendung fanden, eine Regelung treffen wollten, die zu einer bedenklichen Gleichbehandlung ungleicher Lebenssachverhalte geführt hätte (vgl. auch BAG 29.09.1993 – 4 AZR 693/92 – AP Nr. 4 zu § 20 BMT-G II; so auch LAG Berlin-Brandenburg 28.02.2007 – 15 Sa 1951/06; 20. Juni 2007 – 23 Sa 472/07).
3) Die Klägerin hätte die Voraussetzungen für eine Bewährung selbst dann erfüllt, wenn die Beklagte ihr eine andere als nach dem Vertrag vorgesehene Tätigkeit als Pflegehelferin übertragen hätte. Die Beklagte hätte der Klägerin diese Aufgaben unter Verletzung des Direktionsrechts übertragen. Die Bewährungszeit gölte als vollständig erfüllt (vgl. BAG 12.05.2004, 4 AZR 338/03 – AP Nr. 300 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Normenkette
MTV P. S.; TVG § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 30.11.2006; Aktenzeichen 75 Ca 9950/06) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.11.2006 – 75 Ca 9950/06 – wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.11.2006 – 75 Ca 9950/06 – teilweise abgeändert und
- die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 3272,12 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 168,62 EUR seit dem 2.6.2006 sowie aus jeweils 310,25 EUR seit dem siebten des jeweiligen Folgemonats, beginnend mit dem 7.6.2006 bis zum 7.3.2007, zu zahlen,
- festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.04.2006 Vergütung nach Vergütungsgruppe AP Va der Anlage B – Pflegepersonal – zum Manteltarifvertrag (MTV) zwischen der P. S. Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG (P. S. AG) und der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) vom 24.09.2004 zu zahlen.
- Wegen der weitergehenden Zinsforderung hinsichtlich des in der Berufungsinstanz erstmals ausgeurteilten Betrages wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Die Revision wird für die Beklagte gegen die Entscheidung unter II. Nrn. 1 und 2 zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Vergütung der Klägerin.
Die verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten am 1. August 1999 als examinierte Altenpflegerin eingestellt worden. Der Arbeitsvertrag sieht eine Grundvergütung in Höhe von umgerechnet 2.033,92 EUR brutto vor. Die Aufgaben der Klägerin ergeben sich aus dem Zwischenzeugnis der Beklagten vom 1. Oktober 2004, in dem diese als solche einer Altenpflegerin dargestellt werden und auf das Bezug genommen wird. Die Klägerin ist seit April 2006 Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), was in der Berufungsinstanz durch die Beklagte nicht mehr bestritten wird.
Ver.di und die P. S. Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG (P. S. AG) schlossen am 24. September 2004 einen Manteltarifvertrag (MTV), einen Vergütungstarifvertrag (VTV) und einen Zuwendungstarifvertrag (ZTV). Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der P. S. AG.
Der Konzern, dem die Beklagte angehört betreibt bundesweit Altenpflegeeinrichtungen, die großenteils von anderen privaten und öffentlichen Trägern übernommen worden sind. In den übernommenen Einrichtungen gab es unterschiedliche Vergütungsregelungen. Z.T. galten tariflichen Regelungen, wie der BAT und vergleichbare Regelungen. Diese tariflichen Bestimmungen sahen auch Bewährungsaufstiegsmöglichkeiten vor. Mit den Abschlüssen vom 24. September 2004 zwischen ver.di und der P. S. AG sollte die Vergütungsstruktur im Konzern vereinheitlicht werden. Der MTV und der GTV sind inzwischen durch die Beklagte mit Schreiben vom 26. September 2006 zum 31. Oktober und zum 31. Dezember 2006 gekündigt worden.
Die Beklagte beantragte die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Klägerin in VergGr. AP IV Stufe 24 der Anlage B – Pflegepersonal – zum Manteltarifvertrag MTV.
Die Klägerin erbrachte ihre Arbeitsleistung während des gesamten Beschäftigungszeitraums beanstandungsfrei.
Sie hat die Ansicht vertreten,...