Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Beendigung des Verfahrens durch Prozessvergleich. Auslegung einer Ausgleichsklausel zur prozessrechtlichen Beendigungswirkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Prozessvergleich enthält sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrecht bestimmt, als auch eine privatrechtliche Vereinbarung, für die § 779 BGB und alle übrigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches gelten.
2. Prozessrechtlich bewirkt der Vergleich unmittelbar und direkt die Beendigung des Rechtsstreits und der Rechtshängigkeit; es bedarf dazu keinerlei weiterer prozessualer Handlungen.
3. Eine vergleichsweise Beendigungsregelung ("damit ist der Rechtsstreit erledigt") hat allein klarstellende Bedeutung; die Beendigungswirkung tritt selbst dann ein, wenn sich der Prozessvergleich nicht auf die in dem Rechtsstreit anhängigen Ansprüche beschränkt, in dem der Vergleich abgeschlossen wird, sondern nach dem Willen der Parteien durch einen (sogenannten) Gesamtvergleich zugleich auch andere zwischen den Parteien geführte Prozesse oder Streitpunkte unmittelbar vollständig geregelt und erledigt werden sollen.
4. Eine Ausgleichsklausel ("Mit der Erfüllung des vorstehenden Vergleiches sind der vorliegende Rechtsstreit sowie sämtliche Ansprüche der Parteien untereinander ausgeglichen und erledigt") kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Verfahren fortgeführt werden soll, wenn eine Erfüllung der im Vergleich festgelegten Pflichten nicht erfolgt; zur Annahme einer solchen Bedingung (im Sinne des § 158 BGB) gehört die Feststellung von Zweifeln über das Eintreten des künftigen Ereignisses.
5. Stellen die Parteien den Eintritt der Erfüllung vergleichsweise festgelegter Verpflichtungen grundsätzlich nicht in Frage, kann der Vertragszweck weder objektiv noch nach der Vorstellung der Parteien dahingehend ausgelegt werden, dass die Erfüllung der Verpflichtung zweifelhaft gewesen ist; das gilt insbesondere dann, wenn die Parteien zur Beendigung des Verfahrens die Verpflichtungen des Beklagten als vollstreckbare Ansprüche geregelt haben.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, §§ 158, 323 Abs. 1, § 779; ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.08.2010; Aktenzeichen 20 Ca 14401/09) |
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit 20 Sa 210/11 und 20 Sa 2058/11 durch den Vergleich vom 10.08.2011 erledigt ist.
II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11.08.2010 - 20 Ca 14401/10 - wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Gerichtskosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien, beide Rechtsanwälte, stritten erstinstanzlich über Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in der Vergangenheit, über Vergütungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche und Einzelheiten eines qualifizierten Zeugnisses. Im Berufungsverfahren stritten die Parteien noch über Vergütungsansprüche, die Zahlung eines angemessene Entgeltes, die Zahlung des Arbeitgeberanteils an der Rentenversicherung des Klägers sowie um Feststellung, dass vom 01.11.2008 bis zum 28.02.2009 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Parteien streiten darum, ob das Verfahren trotz eines am 10.08.2011 geschlossenen Prozessvergleichs weitergeführt werden muss.
Der 1972 geborene Kläger war seit dem 01.03.2009 bei dem Beklagten, der eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt gegen eine Bruttomonatsvergütung von 3.000,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27.02.2009 als angestellter Rechtsanwalt tätig. Für die Einstellung bewillige das Jobcenter L. dem Beklagten ab dem 01.03.2009 für die Dauer von sechs Monaten ein Eingliederungszuschuss in Höhe von monatlich 1.800,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war gemäß § 1 des Arbeitsvertrages auf ein Jahr befristet. Die Parteien haben vertraglich (§ 3 des Arbeitsvertrages) eine Probezeit von sechs Monaten, eine Kündigungsmöglichkeit während dieser Zeit von zwei Wochen vereinbart. Der Kläger war bereits vor dem 01.03.2009 für den Beklagten als Rechtsanwalt tätig. Einzelheiten dazu waren zwischen den Parteien streitig. Mit Urteil vom 11.08.2010 hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 14.07.2009 mit sofortiger Wirkung zum 14.07.2009 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 15.08.2009 fortbestanden hat. Es hat den Beklagten weiter verurteilt, an den Kläger 1.500,00 Euro brutto abzgl. erhaltenen Arbeitslosengeldes II in Höhe von 487,08 Euro netto zzgl. Zinsen zu zahlen sowie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, soweit der Kläger die Feststellung begehrt hat, dass zwischen den Partei...