Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz. Neue Kündigungsschutzanträge als Klageerweiterung
Leitsatz (redaktionell)
Neue, einen anderen Sachverhalt betreffende Kündigungsschutzanträge in der Berufungsinstanz sind eine Klageerweiterung im Sinne des § 263 ZPO und lediglich bei Sachdienlichkeit zulässig. Nur die Fortführung eines erstinstanzlich gestellten Feststellungantrags im Berufungsverfahren ist statthaft und keine Klageänderung.
Normenkette
ZPO §§ 533, 263, 254; KSchG § 6 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.03.2019; Aktenzeichen 25 Ca 2272/18) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. März 2019 - 25 Ca 2272/18 - wird hinsichtlich der Anträge zu 2), 7), 8) und 9) zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 33 % und der Beklagte 67 % zu tragen; von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 74 % und der Beklagte 26 % zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen noch über die Wirksamkeit dreier Kündigungen aus den Jahren 2020 und 2021.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden: Schuldnerin) mit Sitz in Berlin.
Bei der Schuldnerin handelte es sich bis Ende des Jahres 2017 um die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, die unter ihrem Air Operator Certificate (AOC) Linien- und Charterflüge durchführte und mit Kurz- und Mittelstreckenmustern der Airbus 320-Familie sowie Langstreckenflugzeugen des Musters Airbus A330-200 hauptsächlich Ziele in Europa, Nordafrika, Israel Nord- und Mittelamerika bediente.
Die am .... 1967 geborene, verheiratete und für ein Kind unterhaltspflichtige Klägerin war auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages seit dem 1. Mai 1994 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Flugbegleiterin, zuletzt mit Stationierungsort Düsseldorf auf den Mustern A 320/A 330 zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt von 3.368,94 Euro, beschäftigt.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2018, der Klägerin am 30. Januar 2018 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. April 2018, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit Schreiben vom 27. August 2020, der Klägerin am 30. August 2020 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. November 2020, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2020, der Klägerin am 24. Oktober 2020 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Januar 2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. April 2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit der vorliegenden, am 15. Februar 2018 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, dem Beklagten am 28. Februar 2018 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewendet, einen allgemeinen Feststellungsantrag angekündigt, ihre vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt sowie hilfsweise einen Nachteilsausgleich, Wiedereinstellung und Auskunftserteilung begehrt.
Die Klägerin hat zur Klagebegründung unter anderem ausgeführt, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und auch wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Es liege keine Betriebsstilllegung, vielmehr ein Betriebsübergang vor.
Ferner hat die Klägerin ausgeführt, der allgemeine Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO rechtfertige sich aus der Rechtsprechung des BAG zur sogenannten Schriftsatzkündigung und umfasse jedwede andere Art von Beendigungstatbeständen. Die Schuldnerin solle sich erklären, ob sie sich für die Dauer des Rechtsstreits über die angegriffene Kündigung hinaus auf weitere Beendigungstatbestände berufen wolle.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 27.01.2018, der Klagepartei zugegangen am 30.01.2018, nicht aufgelöst worden ist,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände, insbesondere weitere Kündigungen, aufgelöst worden ist,
3. den Beklagten zu verurteilen, die Klagepartei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin auf den Mustern der A 320 Familie / A 330 mit der Zusatzfunktion im Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin weiter zu beschäftigen,
4. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1)
den Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei einen Nachteilsausgleich zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
5. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1)
den Beklagten zu verurteilen, das Angebot der Klagepartei auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrages ab dem 01.05.2018 zu den bislang bestehenden vertraglich vereinbarten Arbeitsbeding...