Entscheidungsstichwort (Thema)
Dynamische Zulage aufgrund des ÄndTV-BT-K vom 1. August 2006. Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft)
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Anspruch auf Zahlung einer tariflichen Zulage aufgrund § 52 Abs. 2 Änderungstarifvertrag Nr. 1 v.0 1.08.2006 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (TVöD BT-K) (ÄndTV-BT-K) v. 13.09.2005 besteht nicht, wenn der Arbeitgeber vor Inkrafttreten des Tarifvertrags wirksam aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausgetreten ist.
2. Es besteht keine besondere Verpflichtung eines Verbands gegenüber dem Tarifpartner, im Innenverhältnis den Abschluss zukünftiger Tarifverträge zu sichern.
3. Die negative Koalitionsfreiheit des einzelnen Mitglieds sowie die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Satzungsautonomie des Verbands stehen einer generellen Unzulässigkeit einer einvernehmlichen sofortigen Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses entgegen.
4. Es ist ausreichend, wenn den Vertretern der Mitglieder eines Arbeitgeberverbands ohne Tarifbindung in den Verbandsorganen, die mit tarifpolitischen Fragen befasst sind, kein Stimmrecht zukommt. Ein generelles Teilnahmeverbot bei Sitzungen der Verbandsorgane, die sich mit tarifpolitischen Fragen befassen, ist nicht notwendig.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1; ArbGG § 11 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bretten (Urteil vom 12.04.2007; Aktenzeichen 2 Ca 53/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 12.04.2007 – 2 Ca 53/07 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer dynamischen Zulage aufgrund des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vom 1. August 2006 zu dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (TVöD BT-K) vom 13. September 2005 (im Weiteren: ÄndTV-BT-K).
Die Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist bei der Beklagten seit dem 1. Mai 1981 als Krankenschwester beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein städtisches Klinikum in der Rechtsform einer GmbH. Die Beklagte ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Brandenburg e.V. (KAV BB). Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, die Mitglied der KAV BB ist und die Gewerkschaft ver.di führten am 1. August 2006 Tarifverhandlungen. Gemäß der Niederschrift vom 1. August 2006 (vgl. Bl. 33 d. A.) hielten die Tarifvertragsparteien unter Punkt II. „Beratungsergebnisse” Folgendes fest:
„VKA und ver.di verständigen sich auf die als Anlage 2 beigefügten Eckpunkte.”
Unter Ziff. III Abs. 2 der Anlage 2 ist festgehalten:
„Zahlung einer monatlichen nicht dynamischen Zulage in Höhe von 35,00 EUR im Tarifgebiet West. Im Tarifgebiet Ost werden 33,43 EUR (95,5 %) bzw. 33,95 EUR (97 %) gezahlt. Für Teilzeitbeschäftigte anteilig.
Keine Anwendung auf die Entgeltgruppe 1 bis 4. Stattdessen jährliche Einmalzahlung in Höhe von 12 % der Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe. …”
Als Zeitpunkt des Inkrafttretens ist der 1. August 2006 bestimmt. Die Tarifvertragsparteien unterzeichneten den umformulierten als Tarifvertrag bezeichneten Vertragstext im März 2007 (vgl. Blatt 71-84 der Akten).
Am 4. August 2006 fasste das Präsidium des KAV BB in einer außerordentlichen Sitzung folgende Beschlüsse:
„Mitglieder des KAV Brandenburg ohne Tarifbindung (Gastmitglieder gemäß § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung) haben grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten, wie Vollmitglieder, in den Organen jedoch nur Gaststatus ohne aktives und passives Wahlrecht. Sie sind nicht an die vom KAV Brandenburg oder der VKA für tarifgebundene Arbeitgeber abgeschlossenen Tarifverträge gebunden und daher weder verpflichtet, die Verbandstarifverträge einzuhalten noch auf den Abschluss eigener Tarifverträge zu verzichten. Sie haben das Recht vom Verband in Tarifauseinandersetzungen mit den Gewerkschaften vertreten zu werden.
Der Präsidiumsbeschluss vom 16. Juni 2006 wird aufgehoben.
- Sofern ein kommunales Krankenhaus bis Ende August 2006 den Erwerb der Gastmitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung (OT-Mitgliedschaft) beantragt, liegt ein wichtiger Grund vor, der es am Erwerb der Mitgliedschaft mit Tarifbindung hindert. Die Zustimmung des Präsidiums zur OT-Mitgliedschaft gilt in diesem Fall als erteilt.
- Sofern ein kommunales Krankenhaus bis Ende August 2006 die sofortige einvernehmliche Beendigung der Mitgliedschaft gemäß § 4 Abs. 1 Buchst. d der Satzung (Auflösungsvereinbarung) beantragt und zugleich unwiderruflich den Erwerb der Gastmitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 4 Satz 6 der Satzung (OT-Mitgliedschaft) beantragt, ist die sofortige Beendigung der Mitgliedschaft zu vereinbaren.”
Mit Schreiben vom 10. August 2006 erbat die Beklagte unter Bezugnahme auf den Beschluss des Präsidiums vom 4. August 20...