Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. arbeitsvertagliche Inbezugnahme. Tarifwechselklausel. Gleichstellungsabrede. Eingruppierung eines Krankentransportfahrers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach der BMT-G II und die für Berlin geltenden Bezirkstarifverträge einschließlich der Lohntarife in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung finden, stellt eine Gleichstellungsabrede und keine Tarifwechselklausel dar. Die Regelungen dieses Tarifvertrags gelten deshalb auch nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers auf einen Betriebserwerber mit ihrem letzten Stand statisch weiter.
2. Eine günstigere einzelvertragliche Vereinbarung genießt nach § 4 Abs. 3 TVG auch dann Vorrang vor der Tarifgeltung, wenn die einzelvertraglich vereinbarte Geltung eines Tarifvertrags für den Betriebsübernehmer auf einem Betriebsübergang i.S.v. § 613a Abs. 1 BGB beruht.
Normenkette
BGB §§ 613a, 611; TVG §§ 1, 4 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 14.07.2006; Aktenzeichen 74 Ca 16108/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14.07.2006 – 74 Ca 16108/05 – geändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.121,21 EUR brutto (fünftausendeinhunderteinundzwanzig 21/100) nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz aus 1.473,68 EUR seit dem 16.09.2005 sowie aus 3.647,53 EUR seit dem 16.12.2005 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger auch in der Zeit ab dem 01.12.2005 ein monatliches Entgelt nach der Lohngruppe 3 a der Anlage 1 des Berliner Bezirkstarifvertrages Nr. 2 zum BMT-G II, Stand 30.06.2005, i.H.v. 2.246,58 EUR brutto sowie ein jährliches Urlaubsgeld i.H.v. 323,34 EUR brutto und eine jährliche Sonderzuwendung i.H.v. 1.922,02 EUR brutto zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, welcher Tarifvertrag auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung findet und in diesem Zusammenhang um die Frage, nach welcher Vergütungsgruppe der Kläger zu vergüten ist.
Der Kläger begann am 1. Oktober 1995 ein Arbeitsverhältnis mit dem J. Krankenhaus in Berlin, Stiftung bürgerlichen Rechts, als Krankentransporter. Er ist nicht tarifgebunden, das Jüdische Krankenhaus ist seit 1965 Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband Berlin. Die Beklagte ist Mitglied der Gebäudereinigerinnung und unterfällt dem Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten des Gebäudereinigerhandwerks. Das J. Krankenhaus vereinbarte in ihren Arbeitsverträgen mit allen Mitarbeitern die Geltung der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst. § 5 des mit dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrages – „Anwendung von Tarifvorschriften” enthält auszugsweise folgende Regelung:
„Für das Arbeitsverhältnis sind bei … Arbeitern die unter Ziffer 2. näher bezeichneten Tarifvorschriften in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden:
…
2. Der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) sowie die für Berlin geltenden Bezirkstarifverträge, einschließlich der Lohntarife, insbesondere auch des Versorgungstarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung. „.
Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages war der Kläger eingruppiert in Lohngruppe 3 Fallgruppe 49 der Anlage 1 des Berliner Bezirkstarifvertrages Nr. 2 zum BMT-G. Der Kläger erhielt zuletzt nach erfolgtem Bewährungsaufstieg Vergütung nach Lohngruppe 3a dieses Tarifvertrages in Höhe von zuletzt 2.246,58 EUR brutto monatlich. Weiterhin erhielt er eine jährliche Sonderzuwendung in Höhe von zuletzt 1.922,02 EUR brutto sowie ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von 323,34 EUR brutto.
Nachdem das J. Krankenhaus beschlossen hatte, bestimmte nicht-medizinische Arbeiten, unter anderem den Tätigkeitsbereich des Klägers, zum 1. Juli 2005 an die Beklagte fremd zu vergeben, schloss es am 10. Mai 2005 mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen freiwilligen Interessenausgleich und Sozialplan, bei dem die Beklagte als Partei dieser Vereinbarung mit aufgeführt ist und der von der Beklagten mit unterzeichnet wurde. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat nicht gebildet. In dieser Vereinbarung heißt es in § 4: „Übergang von Rechten und Pflichten – Nach den Betriebsübergängen tritt die Übernehmerin gemäß § 613a BGB in die Rechte und Pflichten gegenüber den in der Anlage 1 bezeichneten Arbeitnehmer/innen mit Ausnahme der in Anlagen 2 und 3 genannten Arbeitnehmer/innen ein”. Der Kläger ist in Anlage 1 mit der Lohngruppe 3a und einem Monatslohn von 2.246,58 EUR aufgeführt. § 5 dieser Vereinbarung „Besitzstandswahrung” enthält auszugsweise folgende Regelung:
„(1) Die Übernehmerin wird zum Übertragungsstichtag in die in Anlage 1 … bezeichneten Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a BGB eintreten, soweit die Arbeitnehmer/innen dem Übergang ihrer Arbeits...