Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageerweiterung in Berufung durch Kündigungsschutzantrag gegen neue Kündigung nach erstinstanzlichem Urteil. Fehlende Sachdienlichkeit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz
Leitsatz (amtlich)
Ein in der Berufungsinstanz erstmals gestellter Kündigungsschutzantrag gegen eine nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ausgesprochene Kündigung ist auch dann eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz, wenn vorsorglich ein allg. Feststellungsantrag gestellt wurde.
Die Zulässigkeit richtet sich nach § 533 ZPO.
Normenkette
KSchG §§ 4, 7; ZPO §§ 256, 533, 97; ArbGG § 8 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 02.10.2019; Aktenzeichen 29 Ca 9602/18) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Oktober 2019 - 29 Ca 9602/18 - wird im Übrigen zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz die Klägerin zu 33 Prozent und der Beklagte zu 67 Prozent zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat die Klägerin zu 67 Prozent und der Beklagte zu 33 Prozent zu tragen.
III. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Kündigungen.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A Berlin PLC & Co Luftverkehrs KG, über deren Vermögen am 1. November 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin ist seit dem 5. Dezember 2004 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerinnen als Flugbegleiterin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 2.545,24 Euro beschäftigt. Sie befand sich bis zum 31. Juli 2018 in Elternzeit.
Nach Massenentlassungsanzeigen bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord vom 12. Januar 2018 und vom 26. April 2018 sowie Anhörung der Personalvertretung vom 19. Januar 2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 9. Juli 2018 zum 31. Oktober 2018, hilfsweise zum nächst möglichen Termin.
Mit weiterem Schreiben vom 27. August 2020, der Klägerin zugegangen am 28. August 2020 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut, diesmal zum 30. November 2020 (Bl. 948 - 950 d.A.). Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 sprach der Beklagte eine weitere Kündigung zum 30. April 2021 aus (Bl. 1072 - 1074 d.A.).
Mit ihrer am 16. Juli 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin mit einem Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 9. Juli 2018 gewandt. Sie hat diese Kündigung für sozial ungerechtfertigt und u.a. wegen Fehler im Massenentlassungsverfahren für rechtsunwirksam gehalten.
Die Klägerin hat - soweit für das Berufungsverfahren noch relevant - beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 09.07.2018, der Klagepartei zugegangen am 12.07.2018, nicht aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände, insbesondere weitere Kündigungen, aufgelöst worden ist;
3. ...
für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1)
4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei einen Nachteilsausgleich zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;
5. ...
äußerst hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu Ziffer 4)
6. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klagepartei einen Nachteilsausgleich als Neumasseverbindlichkeit zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird
7...
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 2. Oktober 2019, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei aufgrund der erfolgten Stilllegung des Betriebes durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt, die erforderliche Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt und die Personalvertretung hinreichend beteiligt worden, sonstige Unwirksamkeitsgründe stünden der Kündigung nicht entgegen. Der allgemeine Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresse unzulässig, da neben der streitgegenständlichen Kündigung keine weiteren Beendigungstatbestände erkennbar seien. Die weiter geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses der Klägerin 1. November 2019 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 27. November 2019 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. März 2020 - beim Landesarbeitsgericht am 19. Februar 2020 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin macht in ihrer Berufungsbegründung umfangreiche Ausführungen zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum allgemeinen Feststellungsantrag seien unzutreffe...