Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkurrenztätigkeit. Abwerbung anderer Arbeitnehmer. Unbegründete außerordentliche Kündigung wegen Abwerbung anderer Beschäftigter bei fehlender Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
Das Abwerben von Mitarbeitern für eine eigene Firma muss grundsätzlich auch einen Tag vor Ende des Arbeitsverhältnisses noch abgemahnt werden.
Normenkette
HGB § 60 Abs. 1; BGB §§ 626, 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.05.2012; Aktenzeichen 34 Ca 3619/12) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Mai 2012 - 34 Ca 3619/12 - wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 238,10 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist 35 Jahre alt (...... 1977) und stand seit dem September 2002 in einem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Personaldisponent. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Zeitarbeitsunternehmen. Nach Abmahnung im April 2011 und Kündigung vom 21. November 2011 schlossen die Parteien in dem dagegen gerichteten Kündigungsschutzverfahren in der Güteverhandlung am 22. Dezember 2011 einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 29. Februar 2012 enden werde und der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt sei. Während dieser Zeit sollte die Bruttomonatsvergütung des Klägers 5.000,-- EUR betragen. Zusätzlich sollte er neben anderen Leistungen als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung von 17.000,-- EUR brutto, zahlbar mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, erhalten.
Nachdem drei Arbeitnehmer am 26. Februar 2012 ihre Kündigung per E-Mail und am 27. Februar 2012 schriftlich erklärt hatten, erfuhr die Beklagte von diesen, dass sie zum 1. April 2012 in eine Firma des Klägers wechseln würden. Darauf kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 2012 (Bl. 7 d.A.), dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, das Arbeitsverhältnis fristlos.
Anfang Dezember 2011 hatte der Kläger bei der Agentur für Arbeit eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung beantragt.
Der Kläger hält einen wichtigen Grund nicht für gegeben. Er habe sich an keinen Beschäftigten der Beklagten gewandt, um diesen für seine eigene in Gründung befindliche Firma abzuwerben. Er habe lediglich auf Nachfrage von Beschäftigten von seiner geplanten Selbstständigkeit erzählt. Beschäftigte der Beklagten hätten von sich aus beim Kläger nach Beschäftigung gefragt, so auch die drei von der Beklagten genannten. Das sei auch nicht verwunderlich, da die beklagte nicht einmal den Mindestlohn gezahlt habe. Auch sei für einen Tag, nämlich den 29. Februar 2012 eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht anzunehmen.
Die Beklagte meint, dass der Kläger vor Ende des Arbeitsverhältnisses der Parteien Beschäftigte der Beklagten angesprochen habe, um sie für seine eigene Firma abzuwerben.
Das Arbeitsgericht hat, soweit für die Berufung relevant, der Klage mit Urteil vom 15. Mai 2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auch das von der Beklagten behauptete und streitige Verhalten des Klägers vor Ausspruch einer Kündigung keinen so schwerwiegenden Pflichtenverstoß darstelle, dass es ohne vorherige Abmahnung eine Kündigung rechtfertige. Deshalb könne dahinstehen, ob der Kläger die Arbeitnehmer vor Ende seines eigenen Arbeitsverhältnisses aktiv angesprochen habe.
Gegen dieses den Beklagtenvertretern am 8. Juni 2012 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 24. Juni 2012 Berufung ein und begründete diese sogleich. Die Beklagte gehe davon aus, dass der Kläger im Zeitraum zwischen Dezember 2011 und Februar 2012 insgesamt 11 namentlich benannte (Bl. 67 d.A.) Mitarbeiter der Beklagten zum Zwecke der Abwerbung in seine eigene Firma angesprochen habe. Bei sechs Mitarbeitern sei dieses erfolglos gewesen. Drei hätten ihr Arbeitsverhältnis zum 31. März 2012 bei der Beklagten beendet und am 1. April 2012 die Tätigkeit für den Beklagten aufgenommen, einer zum 1. Mai 2012 und einer zum 1. Juni 2012. Die Mitarbeiter hätten dem Geschäftsführer der Beklagten am 27. bzw. 28. Februar 2012 erklärt, dass sie aktiv vom Kläger angesprochen worden seien. Erstinstanzlich habe er die Mitarbeiter als Zeugen benannt. Die Beklagte habe darauf vertraut, dass die Mitarbeiter als Zeugen gehört würden, da sie nicht zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung bereit gewesen seien. Es handele sich nicht um einen Ausforschungsbeweis. Die Beklagte habe vorgetragen, dass es sich um Telefonate gehandelt habe und wer diese geführt habe und wann die Beklagte davon Kenntnis erlangt habe.
Die Kündigung sei angesichts ihrer Schwere trotz mangelnder Wiederholungsgefahr auch ohne Abmahnung gerechtfertigt. Der Kläger sei aber auch bereits zuvor einmal abgemahnt und fristlos gekündigt worden. Die vorangegangene Abmahnung vom April 2011 wegen der rechtswidrigen Weiterleitung von Infor...