Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer, der den Schritt in die Selbständigkeit beabsichtigt, verletzt seine vertragliche Interessenwahrnehmungspflicht nicht, wenn er die ihm aus seinem bisherigen Arbeitsverhältnis bekannt gewordenen Kollegen auf einen Wechsel zu ihm anspricht und deren Bereitschaft zum Wechsel, durch welche Zusagen auch immer, fordert ein solches Verhalten rechtfertigt eine fristlose Kündigung nicht, es sei denn, es liegen Umstände vor, die die konkrete Abweichung als konkrete Abwerbung als verwerflich erscheinen lassen.
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 05.05.1999; Aktenzeichen 19 Ca 41/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 5. Mai 1999 – 19 Ca 41/99 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 22. Januar 1999 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte mit Schreiben vom 19. Januar 1999.
Der Kläger war seit dem 01. Januar 1997 bei der Beklagten, einem Computer- und Softwarehaus mit ca. 200 Mitarbeitern, als Geschäftsstellenleiter in Hamburg beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 1996 (Anlage K 1, Blatt 4 ff der Akte). Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers betrug DM 17.000,–.
Mit Schreiben vom 15. Januar 1999 kündigte der Kläger das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. März 1999. Zusammen mit seinem eigenen Kündigungsschreiben überreichte der Kläger Kündigungsschreiben der Mitarbeiter Jarck und Meschenmoser.
Der Kläger und die Herren … und … waren übereingekommen, gemeinsam in einer Firma tätig zu werden, deren Gegenstand die Erbringung von Dienstleistungen im SAP R 3-Umfeld sein sollte.
Am 15. Januar 1999 schlossen die drei Herren mit Herrn … handelnd als allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Firma … Gesellschaft für Beratung und Systemintegration mbH einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Firma … (Blatt 96 ff der Akte). Zum Geschäftsführer wurde der Kläger bestellt. Der Kläger meldete die Firma unter dem 15. Januar 1999 zur Eintragung in das Handelsregister an (Blatt 93 f der Akte). Die Gesellschaft wurde am 16. März 1999 im Handelsregister eingetragen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 19. Januar 1999 fristlos (Anlage K 3, Blatt 10 f der Akte).
Der Kläger hat vorgetragen, bei der Gründung der neuen Firma handele es sich um eine zulässige Vorbereitungshandlung, die keine Verletzung des vertraglichen Wettbewerbsverbotes darstelle.
Bei einem zwischen ihm, dem Kläger und den Herren … und … beiläufig geführten Gespräch hätten diese ihre Unzufriedenheit über ihre berufliche Tätigkeit bei der Beklagten ihm gegenüber deutlich gemacht und darauf hingewiesen, dass sie eine andere Tätigkeit suchen wollten. Dies habe er zum Anlass genommen, sie zu fragen, ob sie nicht an einer Tätigkeit außerhalb der Beklagten im SAP R 3-Umfeld in einer neu zu gründenden Gesellschaft, an welcher sie beteiligt würden, interessiert seien.
Er habe während seiner Beschäftigungszeit bei der Beklagten keinen Wettbewerb betrieben. Im Gesellschaftsvertrag sei die Regelung enthalten, dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit nicht vor dem 01. April 1999 aufnehmen dürfe. Dies sei auch beachtet worden. Auch habe er die Firma … nicht während seiner Beschäftigungszeit abzuwerben versucht. Er habe lediglich dem Prokuristen dieser Firma, Herrn … der ihm seit Jahren persönlich bekannt sei, darüber informiert, dass er bei der Beklagten ausscheiden werde. Akquisitionsgespräche habe er mit Herrn … während seiner Beschäftigungszeit bei der Beklagten nicht geführt.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 19. Januar 1999 nicht beendet ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, nach Erhalt der Eigenkündigungen des Klägers und der Herren … und M. seien letztere am 15. Januar 1999 zu einem Gespräch gebeten worden, um die näheren Umstände der plötzlichen Kündigungen zu klären. Die beiden Mitarbeiter hätten ihre Kündigungen mit der ihnen durch den Kläger angebotenen Mitarbeit und gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der in Gründung befindlichen … begründet. Ferner hätten sie als weiteren Grund die unzureichende Ausstattung ihrer persönlichen Arbeitsumgebung genannt. Das Abwerben der Mitarbeiter durch den Kläger sei in besonderer Weise sittenwidrig, denn er habe entgegen der betrieblichen Übung die beiden kurz nach der Einstellung ständig mit Kundenprojekten vor Ort und dabei insbesondere auch zusätzlich an Wochenenden eingesetzt, damit sei eine Integration der Mitarbeiter in den Kollegenkreis des Betriebes und der Aufbau persönlicher Kontakte innerhalb des Teams unterbunden worden. Ferner hätten die genannten Mitarbeiter nicht die von ihnen angeforderten und auch im Betrieb üblichen Ar...