Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines Abbrucharbeiten ausführenden Betriebes am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (redaktionell)
1. Ansprüche auf Beitragszahlungen im Rahmen des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe sind begründet, wenn die Einzugsstelle schlüssig vorträgt, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten (hier: Abbrucharbeiten) verrichtet werden.
2. Die rückwirkende Geltung des SokaSiG ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Normenkette
SokaSiG § 7; VTV-Bau § 18 Abs. 1, § 21 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 10.08.2017; Aktenzeichen 66 Ca 82087/16) |
Tenor
I. Das Versäumnisurteil vom 6. Juli 2018 wird aufrechterhalten.
II. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist die tarifvertraglich bestimmte Einzugsstelle der Sozialkassen des Baugewerbes.
Mit seiner Klage hat der Kläger Beiträge für Dezember 2011 bis März 2016 verlangt. Ein Anspruch bestehe ungeachtet der Unwirksamkeit von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen der zugrunde liegenden Tarifverträge zum Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) nach dem Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz (SokaSiG), wonach diese kraft Gesetzes gelten. Es bestehe Anspruch auf sogenannte Mindestbeiträge ausgehend von der Beschäftigung von mindestens vier gewerblichen Arbeitnehmern, da der Beklagte einen Betrieb unterhalte, der Abbrucharbeiten ausführe und damit dem Geltungsbereich des § 1 VTV unterfalle.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 83.896,00 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat den Beklagten durch Urteil vom 10. August 2017 antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Anspruch bestehe, da der Beklagte Abbrucharbeiten und damit Bauleistungen erbringe und damit vom Geltungsbereich des VTV erfasst werde. Die Forderung von Mindestbeiträgen ausgehend von den Durchschnittslöhnen im Baugewerbe sei möglich, da der Beklagte keine abweichenden Beitragsmeldungen abgegeben habe.
Gegen dieses ihm am 21. September 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 18. Oktober 2017 Berufung eingelegt, diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 19. Dezember 2017 begründet und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Bei Klageerhebung seien die streitgegenständlichen Ansprüche aufgrund der Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärungen der Sozialkassentarifverträge nicht gegeben gewesen, da er kein Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sei. Auf das SokaSiG könnten Ansprüche nicht gestützt werden, da dieses als rückwirkendes Gesetz, erlassen zur Vermeidung der Insolvenz des Klägers, verfassungswidrig sei.
Er habe nur bezogen auf das Jahr 2016 erklärt, dass es sich um einen Baubetrieb handle. Er habe in der Gewerbe-Ummeldung vom 11. August 2015 eine Erweiterung der Tätigkeit angegeben und "Abriss" eingetragen. Die Annahme, der Betrieb unterfalle seit 2011 dem VTV, sei unzutreffend. Für den Zeitraum 12/2011 bis 7/2015 bestehe keine Beitragspflicht, für den Zeitraum Augst 2015 bis März 2016 - wie unter Angabe monatlich gezahlter Bruttolohnsummen näher ausgeführt wird - eine Betragspflicht nur in Höhe von 7.863,00 Euro.
In Höhe von 5.369,72 Euro für die Zeit von August 2015 bis März 2016 hat der Kläger die Klage unter Neuberechnung der Ansprüche ausgehend von den nunmehr vorliegenden Angaben des Beklagten zu gezahlten Bruttolöhnen mit Einverständnis des Beklagten zurückgenommen.
Das Landesarbeitsgericht hat die betreffend den verbleibenden Betrag auf Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Abweisung der Klage gerichtete Berufung des Beklagten durch Versäumnisurteil vom 6. Juli 2018 zurückgewiesen.
Gegen dieses ihm am 13. Juli 2018 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte am 20. Juli 2018 Einspruch eingelegt und ergänzend geltend gemacht, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Sozialkassenpflicht liege für den Zeitraum von 2011 bis 2015 beim Kläger. Er werde hier unzulässigerweise auf Verdacht in Anspruch genommen. Entsprechend sei er nicht gehalten gewesen, auf die gerichtliche Auflage vom 13. April 2018 zu erbrachten Arbeitsleistungen in dieser Zeit näher vorzutragen. Hierzu sei er derzeit auch nicht in der Lage, weil sich relevante Unterlagen in behördlichem Gewahrsam befänden, im Übrigen lasse es sowohl der Umfang als auch deren Zustand der Unterlagen nicht zu, bestimmte für das Verfahren maßgebliche Unterlagen zu separieren und aufzuarbeiten. Es werde ein Ruhen des Verfahrens beantragt, vorsorglich eine Frist zu weiterem Vortrag bis 31. Oktober 2018.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Juli 2018 aufzuheben, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. August 2017- 66 Ca 82087/16, verbunden mit 66 Ca 82987/16 ...