Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterverwendung älterer Arbeitnehmer aus aufgelösten Einrichtungen der ehemaligen DDR. Bedeutung des Anspruchs auf Altersübergangsgeld in diesem Zusammenhang. Formulierung des Klageantrages
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitnehmer, der Altersübergangsgeld nach § 249 e AFG beanspruchen kann, gehört nicht (mehr) zum Kreis der „besonders betroffenen” Arbeitnehmer im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.4.1991 1 BrR 1341/90 = BVertGE 84, 133 zur „Warteschleife”. Die Regelungen des § 249 e AFG bedeuten eine ausreichende „Abmilderung sozialer Härten” im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, so daß eine Unterbringungsverpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers im allgemeinen verneint werden kann.
2. Ob der „besonders betroffene” Arbeitnehmer seine Weiter- oder Wiederverwendung im Rahmen eines auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichteten Feststellungsantrages verfolgen kann oder ob er hierzu eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung zum Abschluß eines (neuen) Arbeitsvertrages erheben muß (ggfls. nach Erledigung eines Auskunftsanspruches), bleibt unentschieden.
Normenkette
G-EV Art. 20 Anlage I B Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2; BVerfGG § 31 Abs. 1; AFG § 249e
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 15.07.1992; Aktenzeichen 65 A Ca 26.870/91) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Juli 1992 – 65 A Ca 26.870/91 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie es der Klage stattgegeben hat; auch insoweit wird die Klage abgewiesen.
II. Die Anschlußberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Eingreifen der Wartestandsregelung nach dem Einigungsvertrag, dabei insbesondere auch über die Bedeutung des Alters des Klägers („Besonders Betroffener” im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 1991); sie streiten ferner über einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen Wartegeld und bisherigem Gehalt.
Der am 23. Januar 1931 geborene Kläger, der eine Ausbildung als Diplom-Ökonom durchlaufen hat, war seit dem 1. Juli 1972 beim Ministerrat der ehemaligen DDR im Amt für Preis beschäftigt und wurde nach Auflösung dieser Stelle seit Mai 1990 im Ministerium der Finanzen, Abteilung Staatliche Finanzrevision, eingesetzt; sein letztes Gehalt betrug 1.950,– DM brutto.
Mit Verfügung vom 1. Oktober 1990 regelte der Bundesminister der Finanzen mit Wirkung ab 3. Oktober 1990 die Einrichtung einer Außenstelle des Bundesministeriums in Berlin; darin heißt es u.a.:
„Mit dem Wirksamwerden des Beitritts erstreckt sich die Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen auch auf das Beitrittsgebiet, zugleich beendet das Ministerium der Finanzen seine Tätigkeit.
Die Angehörigen des Ministeriums der Finanzen werden der Außenstelle Berlin des Bundesministeriums der Finanzen zugeordnet und unterstehen, soweit im einzelnen nichts anderes bestimmt ist, dem Leiter der Außenstelle.”
Dies wurde durch Hausmitteilung Nr. 1/90 vom 4. Oktober 1990 bekanntgegeben. Schon zuvor, durch Schreiben vom 28. September 1990, war den Mitarbeitern durch ein Rundschreiben mitgeteilt worden, der Bundesfinanzminister habe entschieden, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums der Finanzen bis zum 31. Oktober 1990 auf der Grundlage der bisherigen Arbeitsverhältnisse weiterzubeschäftigen; weiter heißt es:
„Nach dem 31. Oktober 1990 ruht das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiter, die bis dahin nicht für eine Weiterbeschäftigung ausgewählt worden sind. Das Auswahlverfahren mit Vorstellungsgesprächen hat begonnen. Nach Auswertung der Ergebnisse wird jeder Mitarbeiter darüber schriftlich informiert, ob sein Arbeitsverhältnis nach dem 31. Oktober 1990 fortgeführt wird oder nicht. Auch die weiteren Rechtsfolgen werden erläutert (Kündigungsgründe, Arbeitsbedingungen; Zahlungsmodalitäten für das Wartegeld).”
Der Kläger, der vom 17. September 1990 bis 17. Januar 1991 krankheitsbedingt gefehlt und deshalb die beiden Mitteilungen nicht erhalten hatte, erhielt jedenfalls am 26. Oktober 1990 ein an ihn persönlich gerichtetes Schreiben vom 16. Oktober 1990 (Kopie Bl. 34 d.A.), das auszugsweise wie folgt lautet:
„Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis kann leider nach dem 31. Oktober 1990 von der Bundesrepublik Deutschland nicht weitergeführt werden; ich bitte dafür um Verständnis.
Nach dem Einigungsvertrag ruht Ihr Arbeitsverhältnis, und Sie haben Anspruch auf ein Wartegeld in Höhe von 70 v.H. des durchschnittlichen monatlichen Brutto-Arbeitsentgelts der letzten sechs Monate. …
Falls Sie eine Beschäftigung in anderen Verwaltungsbereichen oder im eigenen Geschäftsbereich anstreben, bin ich bereit, dies zu unterstützen. Haben Sie bis zum Ablauf von 6 bzw. 9 Monaten nach dem 31. Oktober keine weitere Beschäftigung gefunden, endet das ruhende Arbeitsverhältnis mit diesem Zeitpunkt.
Durch Schreiben vom 25. Okto...