Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufliche Rehabilitierung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer zu DDR-Zeiten ausgesprochenen „materiell” rechtswidrigen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (hier: fristlose Entlassung einer Lehrerin nach Stellung eines Ausreiseantrages) mit der Folge des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und/oder eines Verzugslohnanspruches kann von den Arbeitsgerichten auch dann nicht getroffen werden, wenn seinerzeit nicht innerhalb von 2 Wochen (§ 60 Abs. 1, 2 AGB-DDR) bei den Konfliktkommissionen oder beim Kreisgericht Einspruch eingelegt worden war und eine gerichtliche Entscheidung nicht ergangen ist.
2. Derartige Fallkonstellationen können zu Ansprüchen auf der Grundlage der Regelungen in Art. 2 des „2. Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht” vom 23.6.1994 (BGBl. I, Seite 1311) führen.
Normenkette
AGB-DDR § 60 Abs. 1-2; Einigungsvertrag Art. 17-18
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Teilurteil vom 03.06.1992; Aktenzeichen 77 A Ca 24.884/91) |
Tenor
I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 1992 – 77 A Ca 24.884/91 – geändert:
- Die Klage wird hinsichtlich des Feststellungsantrages abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreites im Umfange des Feststellungsantrages werden der Klägerin auferlegt.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer vom „Rat des Stadtbezirkes …” im Jahre 1981 ausgesprochenen Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses; darüber hinaus macht die Klägerin Annahmeverzugsvergütung geltend.
Die 1938 geborene Klägerin war seit 1963 beim Rat des Stadtbezirkes … – Volksbildung – als Mathematiklehrerin beschäftigt.
Am 9. Januar 1981 stellte sie einen Antrag auf Ausreisegenehmigung in die Bundesrepublik Deutschland (Bl. 6 d.A.). Daraufhin wurde ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet, in deren Gefolge am 26. März 1981 eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen worden war.
Die Klägerin hat diese Kündigung nicht mit Rechtsmitteln angegriffen. Sie schied aus dem Lehrerdienst aus und war in der Folgezeit nur teilweise und nur mit Hilfstätigkeiten im Rahmen anderweitiger Arbeitsverhältnisse beschäftigt.
Am 29. März 1984 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland aus; am 13. Juni 1984 begründete sie mit dem Land Berlin, Bezirksamt …, ein Arbeitsverhältnis als Lehrerin ab, das im Jahre 1987 in ein Beamtenverhältnis auf Probe und am 25. November 1988 in ein solches auf Lebenszeit übergeleitet wurde.
Mit der vorliegenden, bei Gericht am, 18. Oktober 1991 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin Feststellung der Unwirksamkeit der seinerzeitigen Kündigung und des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses sowie die Zahlung von Annahmeverzugslohn.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe ein Interesse an der Feststellung eines ununterbrochenen Bestandes des Arbeitsverhältnisse unter anderem auch aus Gründen der späteren Versorgung. Die seinerzeitige Kündigung sei wagen Sittenwidrigkeit unwirksam gewesen und das damalige Beschreiten des Rechtsweges sei wegen Aussichtslosigkeit nicht in Betracht gekommen.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. März 1981 nicht aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht;
- den Beklagten zu verurteilen, an sie 14.410,– DM nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin habe seinerzeit die Kündigung innerhalb von zwei Wochen seit deren Zugang rechtlich angreifen müssen. Im übrigen sei festzustellen, daß sie durch den Ausreiseantrag nach dem herrschenden Recht in der Ex-DDR zugleich einen Verstoß gegen die Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte begangen habe. Auch angesichts der Ausreise könne der Wille der Klägerin, ihr Arbeitsverhältnis als Lehrerin in der DDR zu beenden, nicht zweifelhaft sein. Auch wenn man dem Begehren der Klägerin Verständnis entgegenbringe, müsse diese auf den Weg einer anderweitigen Entschädigung verwiesen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die dort gewechselten Schriftsätze sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Teil-Urteil vom 3. Juni 1992 dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben und den Wert des Streitgegenstandes diesbezüglich auf 1.830,– DM festgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Ein Rechtsschutzinteresse für den Feststellungsantrag sei schon deswegen gegeben, weil hierauf der Zahlungsantrag der Klägerin beruhe. Die gegenüber dar Klägerin seinerzeit ausgesprochene Kündigung sei auch unter Zugrundelegung des Rechts der DDR unwirksam gewesen und der Unwirksamkeit der Kündigung stehe auch nicht § 60 Abs. 1 AGB-DDR entgegenstehe. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Urteilsgründe ...