Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltvereinbarung für den Insolvenzfall
Leitsatz (amtlich)
Erklärt sich ein Arbeitnehmer zur Rettung des Betriebes seines Arbeitgebers bereit, gegen ein entsprechend geringeres Entgelt verkürzt zu arbeiten, so stellt sein für den Fall einer gleichwohl eintretenden Insolvenz vorgesehener Anspruch auf das volle Entgelt jedenfalls dann keine Masseverbindlichkeit dar, wenn der Insolvenzverwalter von der Befugnis, vom Arbeitnehmer auch wieder die vollzeitige Arbeitsleistung zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht hat.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 08.06.2004; Aktenzeichen 18 Ca 17105/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08.06.2004 – 18 Ca 17105/03 – dahin geändert, dass die Klage, soweit ihr stattgegeben worden ist, als unzulässig abgewiesen wird.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin stand seit dem 01. September 1998 in Vollzeitbeschäftigung als Sekretärin und Stenotypistin in den Diensten der späteren Insolvenzschuldnerin. Im Januar 1998 vereinbarte sie mit dieser eine „Vertragsänderung” (Abl. Bl. 11 d.A.), wonach ihre wöchentliche Arbeitszeit unter entsprechender Reduzierung des Gehaltsanspruchs auf 24 Stunden herabgesetzt wurde. Weiter hieß es:
„Bei Konkurs, Schließung des BeT.es oder bei beT.sbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber ist Frau T. für die letzten 12 Monate – vorbehaltlich einer gesetzlichen Änderung für die Berechnung des Arbeitslosengeldes, in diesem Fall wird der Zeitraum entsprechend angepasst – vor ihrem Ausscheiden bezüglich ihrer monatlichen Vergütung so zu stellen, wie sie ohne diese Teilzeitvereinbarung gestanden hätte, d.h. es besteht voller Gehaltsanspruch.
Soweit möglich, kann für diesen Zeitraum auch die volle Arbeitsleistung verlangt werden, andernfalls werden nur eventuelle Arbeitszeitguthaben, Urlaubsansprüche und Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld angerechnet. Darüber hinaus besteht der volle Entgeltanspruch auch, wenn die Arbeit nicht mehr geleistet werden kann.”
Ab Juli 2001 erhielt die Klägerin für 27 Stunden pro Woche ein Monatsgehalt von 2.738,– DM / 1.399,92 EUR brutto.
Am 01. März 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 10. März 2003 zum 30. Juni 2003 und stellte die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit frei.
Das Arbeitsgericht Berlin hat den Beklagten, soweit in der Berufungsinstanz noch von Interesse, verurteilt, an die Klägerin 1.754,– EUR brutto nebst Verzugszinsen als Gehaltsdifferenz für März bis Juni 2003 und Differenz zum Urlaubsgeld zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei den erhobenen Ansprüchen handele es sich um Masseforderungen und nicht um solche „für” die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Vereinbarung von Januar 1998 sei nicht sittenwidrig, weil sie nicht geeignet sei, die Bundesagentur für Arbeit zu entsprechend höheren Leistungen zu verpflichten. Den Ansprüchen der Klägerin stehe auch nicht die Einrede der Anfechtbarkeit entgegen. Der Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Klägerin bereits 1998 eine drohende Zahlungsunfähigkeit der späteren Insolvenzschuldnerin gekannt habe. Im Übrigen würde durch eine Unwirksamkeit bzw. Anfechtbarkeit der Vereinbarung aus 1998 der hierdurch geänderte ursprüngliche Arbeitsvertrag wieder aufleben, so dass die Klägerin auch hieraus unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs die Vergütung auf der Basis der ursprünglichen Vollzeittätigkeit beanspruchen könnte.
Gegen dieses ihm am 14. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Juni eingelegte und zugleich begründete Berufung des Beklagten. Er ist der Ansicht, dass der Klägerin allenfalls noch Insolvenzforderungen zustünden. Der Umfang der oktroyierten Masseverbindlichkeiten dürfe nicht über die gesetzliche Regelung hinaus erweitert werden. Er könne als Insolvenzverwalter nicht weitergehenden Ansprüchen ausgesetzt sein, die gegen die Schuldnerin ohne Insolvenzfall überhaupt nicht bestanden hätten. Die Forderungen seien zudem aufschiebend bedingt durch den Insolvenzfall; solche Forderungen stellten aber ausschließlich Insolvenzverbindlichkeiten dar.
Jedenfalls sei die Klage auch unbegründet. Die Vereinbarung von Januar 1998 sei im Hinblick auf die damit verbundene Schädigung der B. für A. durch Zahlung erhöhten Insolvenzgeldes und der anderen Insolvenzgläubiger sittenwidrig bzw. anfechtbar. Dafür genüge es, dass die Klägerin den Benachteiligungsvorsatz der späteren Insolvenzschuldnerin gekannt habe. Nach Treu und Glauben sei es der Klägerin versagt, sich rückwirkend auf die Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung zu berufen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzu...