Leitsatz (amtlich)
Ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang i.S.v. § 613 a BGB setzt die Bewahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit und deren Fortführung durch den späteren Betreiber eines Hotels voraus.
Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der bisherige Hotelinhaber aufgrund einer von den Hotelgrundstückseigentümern durchgeführten Zwangsräumung den Hotelbetrieb stillegt, dem gesamten Personal kündigt, seine Betriebsgemeinschaft mit den Arbeitnehmern und die dem Betriebszweck dienende Organisation auflöst.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der frühere Inhaber des Hotels teilweise einen bordellartigen Betrieb, zu dessen Gästen Homosexuelle und Strichjungen gehörten, geführt hat und eine neu gegründete GmbH, deren Gesellschafter u.a. die Eigentümer des Hotelgrundstücks sind, einen üblichen Hotel- und Beherbungsbetrieb neu eröffnet. Dadurch ändert sich auch der Betriebszweck des Hotels.
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 17.09.1997; Aktenzeichen 43 Ca 14413/97) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 1997 – 43 Ca 14413/97 – teilweise wie folgt abgeändert:
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits trägt, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen worden ist, der Kläger.
II. Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien, der Kläger und die Beklagte zu 2) streiten (noch) über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem früheren Beklagten zu 1) im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist sowie über deren Verpflichtung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits.
Der am 21. September 1996 geborene Kläger, Student, war seit dem 01. August 1996 als Nachtrezeptionist bei 96 bis 120 Stunden im Monat gegen einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.725,00 DM in dem Hotelbetrieb des früheren Beklagten zu 1) „Hotel E.” tätig. Die Geschwister Peter und Brigitte S. sind Eigentümer des Hausgrundstücks in der K. Straße 60, in … B. Sie hatten die Räume des Hauses an den früheren Beklagten zu 1) aufgrund des Mietvertrages vom 20. Mai 1985 mit Wirkung vom 01. Juli 1985 zum Zwecke des Betriebes eines Hotels im Erdgeschoß, im ersten bis vierten Obergeschoß und im Dachgeschoß vermietet.
Der frühere Beklagte zu 1) hatte einen Teil der Räumlichkeiten zur Durchführung eines Barbetriebes, des sog. P. CLUB, in dem Homosexuelle verkehrten, genutzt und insbesondere die Hotelzimmer im Zusammenhang mit dem Barbesuch – auch kurzzeitig – vorzugsweise männlichen Besuchern überlassen. In einem Inserat in der Zeitung „G.” vom April 1996 heißt es u.a.:
„J., der Betreiber des ‚P.’ ist gleichzeitig auch Chef des E. Hotels und für den Service des Hauses zuständig. Über ihn kann man sich bei Bedarf in eines der gepflegten Doppelzimmer mit Dusche und WC, auch kurzfristig, beraten und verwöhnen lassen.”
Die Polizei führte im Oktober 1996 oder im Januar 1997, wie die Beklagte behauptet, eine groß angelegte Razzia wegen des Verdachts des Drogenmißbrauchs und des Mißbrauchs von Minderjährigen in dem Hotel durch, wobei das Haus mit 120 Polizeibediensteten gestürmt wurde. Die Bar P. wurde von der Polizei geschlossen.
Die Vermieter kündigten das Mietverhältnis mit dem Beklagten wegen erheblicher Mietzinsrückstände und erhoben Räumungsklage beim Landgericht Berlin – 34.O.432/96 –. Aufgrund des am 20. Januar 1997 ergangenen rechtskräftigen Räumungsurteils ließen die Vermieter das Mietobjekt am 18. März 1997 durch einen Gerichtsvollzieher räumen. Wenige Tage zuvor hatte der frühere Beklagte zu 1) Gegenstände des Hotelbetriebs aus den Räumen entfernt, wobei über den Umfang der entfernten Gegenstände zwischen den Parteien Streit besteht.
Mit einem auf den 18. März 1997 datierten Schreiben, das dem Kläger am 27. März 1997 zuging, kündigte der frühere Beklagte zu 1) sämtlichen Mitarbeitern des Hotels, u.a. dem Kläger (Bl. 2 d.A.) zum 31. März 1997, wobei er u.a. erklärte, er habe der „Hotelbetriebsgesellschaft S. mbH i. G.” eine komplette Aufstellung aller Mitarbeiter mit Betriebszugehörigkeit. Position sowie Gehalt zukommen lassen, sie sollten ihre Weiterbeschäftigung betreffenden Angelegenheiten über die bekannte Adresse führen.
Am 01. April 1997 gründeten die Vermieter B. und P. gemeinsam mit Herrn J.-O. S. und Herrn J. H. Beklagte zu 2) mit dem Zweck der Anmietung des Gebäudes und des Betriebes eines Hotels in den Räumen. Sie eröffnete am 17. Mai 1997 die erste Etage des „Hotel B.” Der Hotelbetrieb wurde um weitere 13 Zimmer in der zweiten Etage Anfang Juni 1997 erweitert. Seit Anfang Oktober 1997 bewirtschaftet die Beklagte zu 2) auch die dritte und vierte Etage mit insgesamt 54 Betten.
Der frühere Beklagte zu 1) übersandte der Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 31. März 1997 (Bl. 99 d.A.), das die Beklagte zu 2) am 07. April 1997 erhielt, eine Mitarbei...