Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Betriebsrats. Zusicherung eines Kündigungsausspruchstermins
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber ist nicht an eine Erklärung gebunden, Kündigungen erst nach Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans auszusprechen, wenn die Verhandlungen scheitern und die Betriebsratsanhörung unabhängig hiervon durchgeführt wurde.
Normenkette
BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 06.03.2002; Aktenzeichen 79 Ca 19333/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.03.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 79 Ca 19333/01 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte betrieb zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine private Klinik und beschäftigte mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.
Die 55-jährige und mit einem Grad von mindestens 50 schwerbehinderte Klägerin nahm bei der Beklagten am 1. August 1977 ein Arbeitsverhältnis als Krankenschwester mit einer Bruttovergütung von zuletzt 6.828,08 DM im Monat auf; auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag der Berliner Krankenanstalten Anwendung.
Mit Schreiben vom 3. Februar 1999 kündigten die Krankenkassen den Versorgungsvertrag mit der Beklagten. Mit Bescheid vom 31. März 2000 stellte das Land B. fest, dass der Klinikbetrieb der Beklagten nicht in den Krankenhausplan 1999 des Landes B. aufgenommen wird. Am 1. Juni 2001 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten in Abwesenheit der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafterin B., den Betrieb zum 31. Dezember 2001 stillzulegen. Dieser Beschluss erging in Abänderung des Beschlusses vom 6. März 2001, der einen früheren Stilllegungszeitpunkt vorsah; er ist mit den langen Kündigungsfristen der Mitarbeiter und dem noch Ungewissen Ausgang der anstehenden Verhandlungen mit dem Betriebsrat, den Krankenkassen und der Gesundheitsverwaltung begründet (Beschlussprotokoll Bl. 50 f. d.A.).
Am 14. Juni 2001 schrieb der damals von der Beklagten bevollmächtigte Rechtsanwalt F. an den bevollmächtigten Rechtsanwalt des Betriebsrats, der identisch mit dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist:
„ich überreiche eine Kopie meines Schreibens an Herrn Dr. P. mit der Bitte um Kenntnisnahme. Die Gesellschafter haben am 5.6.2001 beschlossen, den Betrieb der G.-Klinik zum 31.12.2001 zu schließen.
Wegen der Notwendigkeit, die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse spätestens bis zum 30.6.2001 zu erklären, stehen die Verhandlungen vor der Einigungsstelle bedauerlicherweise unter erheblichem Zeitdruck. Ich hoffe, dass wir schnell zu einer für beide Seiten annehmbaren Lösung kommen werden. Es ist beabsichtigt, die vor Ausspruch der Kündigungen erforderlichen Anhörungen des Betriebsrats auch schon vor Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans durchzuführen, wobei ich namens und in Vollmacht der Gesellschafter der G.-Klinik ausdrücklich versichere, dass Kündigungen erst und nur dann ausgesprochen werden, wenn in der Einigungsstelle eine Einigung über den Interessenausgleich und Sozialplan erzielt worden ist. Der Arbeitgeber wird auf diese Weise die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte des Betriebsrats beachten. Ich gehe davon aus, dass Einwände gegen diese Verfahrensweise nicht bestehen.”
In einem weiteren Schreiben vom 19. Juni 2001 des Rechtsanwalts F. an den Betriebsratsvorsitzenden heißt es:
„wie Sie wissen, vertreten wir die Offene Handelsgesellschaft G.-Klinik W. und G. B., in deren Auftrag wir Ihnen 67 Anhörungen (doppelt) zu beabsichtigten Kündigungen der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der G.-Klinik überreichen. Die Gesellschafter der G.-Klinik haben am 1.6.2001 beschlossen, die G.-Klinik zum 31.12.2001 zu schließen.
Auch Ihnen und dem gesamten Betriebsrat gegenüber versichern wir namens und in Vollmacht unserer Mandantin, dass die beabsichtigten Kündigungen erst und nur dann ausgesprochen werden, wenn in der Einigungsstelle eine Einigung über den Interessenausgleich und Sozialplan erzielt worden ist. Diese Versicherung haben wir Herrn Rechtsanwalt S. gegenüber bereits in unserem Schreiben vom 14.6.2001 abgegeben.”
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin – 80 BVGa 17509/91 –, mit dem der Betriebsrat den Ausspruch von Kündigungen vor Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen verhindern wollte, erklärten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, man wolle gar nicht kündigen, bevor ein Interessenausgleich und Sozialplan vorliege.
„ich überreiche eine Kopie meines Schreibens an Herrn Dr. P. mit der Bitte um Kenntnisnahme. Die Gesellschafter haben am 5.6.2001 beschlossen, den Betrieb der G.-Klinik zum 31.12.2001 zu ...