Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses vor dessen Beginn
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kündigung eines Berufsausbildungsvertrages nach § 15 Abs. 1 BBiG ist vor Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses ausgeschlossen.
2. Die §§ 14, 15 BBiG regeln das Recht der Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses zwingend und abschließend. Demgegenüber können Billigkeitserwägungen nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
Normenkette
BBiG §§ 14-15, 13
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 07.05.1986; Aktenzeichen 5 Ca 283/85) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Mai 1986 – 5 Ca 283/85 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der … 1962 geborene Kläger wuchs außerhalb einer Familie auf und lebte u.a. in einem Internat. Sein älterer Bruder fühlt sich ihn deshalb besonders verbunden. Dieser besuchte mit dem Kläger 1983 eine Spielbank (Bl. 42/43 d.A.). Am 30. Mai 1985 schlossen die Parteien einen Berufsausbildungsvertrag entsprechend den §§ 3, 4 BGB zwecks Ausbildung zum Bankkaufmann (Bl. 7–10 d.A.). Das Berufsausbildungsverhältnis sollte danach am 1. Februar 1986 beginnen (Bl. 7 d.A.) Die Beklagte stellte den Kläger ferner nach Maßgabe des Schreibens vom 23. September 1985 für die Zeit vom 26. September 1985 bis zum 31. Januar 1986 als Aushilfskraft ein (Bl. 11 d.A.); sie hält diese vorgeschalteten Beschäftigungsverhältnisse auch im Sinne einer Erprobung für die vereinbarte Berufsausbildung für sinnvoll.
Wenige Tage nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Aushilfe erzählte der Kläger Mitarbeitern der Beklagten, daß er eine Spielbank besucht habe. Die Einzelheiten dieses Gesprächs sind streitig (Bl. 28, 36/37 d.A.). Die Mitarbeiter „meldeten” die Äußerungen des Klägers der Leiterin der Ausbildungsabteilung, die den Kläger mehrfach befragte, wobei er sich in Widersprüche verwickelt haben soll. Ein weiteres Gespräch mit einem Vorstandsmitglied führte zu keinem besseren Ergebnis, so daß die Beklagte den Kläger nicht geeignet für die Ausbildung zum Bankkaufmann hielt (Bl. 29 d.A.). Um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, sich rechtzeitig um ein neues Berufsausbildungs- oder Arbeitsverhältnis bemühen zu können, kündigte die Beklagte „das ab 1. Februar 1986 vereinbarte Ausbildungsverhältnis gemäß § 7 des Berufsausbildungsvertrages vom 30. Mai 1985” mit Schreiben vom 18. Oktober 1985 (Bl. 14 d.A.) nach Anhörung des Betriebsrats. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß eine außerordentliche Kündigung nicht ausgesprochen worden ist.
Mit Schreiben vom 29. November 1985 wandte sich der Kläger gemäß § 9 des Ausbildungsvertrages nach § 111 Abs. 2 ArbGG an die Industrie- und Handelskammer zu Berlin (Bl. 19/20 d.A.), die es unter dem 6. Dezember 1985 ablehnte, den bei ihr gebildeten Schlichtungsausschuß damit zu befassen (Bl. 21 d.A.).
Mit der am 13. Dezember 1985 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß der Berufsausbildungsvertrag der Parteien vom 30. Mai 1985 nicht durch die Kündigung vom 18. Oktober 1985 beendet worden ist.
Durch Urteil vom 7. Mai 1986 hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts diesem Klageantrag entsprochen (Bl. 45–55 d.A.; § 543 Abs. 2 ZPO).
Gegen dieses ihr am 31. Juli 1986 zugestellte Urteil richtet sich die am 1. September 1986 eingegangene Berufung der Beklagten, deren Begründung am 29. September 1986 vorlag.
Am 4. November 1986 haben die Parteien nach Maßgabe der vorher angekündigten Anträge streitig verhandelt (Bl. 63, 66, 83 d.A.). Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird gemäß den §§ 313 Abs. 2 Satz 1 und 2, 543 Abs. 2 ZPO abgesehen. Auf die Rechtsausführungen der Parteien wird später einzugehen sein.
Entscheidungsgründe
Die nach § 64 Abs. 1, ArbGG und der Beschwer von 805,– DM statthafte Berufung der Beklagten (§ 64 Abs. 2 ArbGG) ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO). Das danach zulässige Rechtsmittel der Beklagten konnte jedoch aus Rechtsgründen nach dem unstreitigen Sachverhalt und dem vorbringen der Beklagten keinen Erfolg haben.
I.
Zunächst wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Ihnen stehen die Ausführungen der Beklagten in deren Berufungsbegründung nicht entgegen. Im einzelnen gilt folgendes:
II.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Das folgt hinsichtlich des Feststellungsantrages aus § 256 ZPO, wobei zusätzlich darauf hinzuweisen ist, daß es sich um die Kündigung und damit Beendigung eines Berufsausbildungsvertrages handelt, dessen Schwergewicht nicht auf Entgeltansprüchen liegt (vgl. auch z.B. BAG vom 20.7.1977 – 4 AZR 142/76 – NJW 1978, 69). Dabei sind die Klageanträge der Parteien dahin aufzufassen, daß sie über die Beendigung des Berufsausbildungsvertrages aufgrund einer am 18. Oktober 1985 au...