Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Gleichartige Pflichtverletzungen. Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine zusammenfassende Betrachtung mehrerer abgemahnter Pflichtverstöße kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn die Pflichtverstöße gleichartig (nicht unbedingt identisch) sind.
2. Als gleichartig sind Pflichtverletzungen anzusehen, die zu vergleichbaren Störungen des Arbeitsverhältnisses führen und als übereinstimmender Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers angesehen werden können.
3. In diesem Sinne sind unberechtigtes Fehlen und berechtigtes, aber nicht angezeigtes Fernbleiben von der Arbeit gleichartige Pflichtverletzungen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 28.07.1995; Aktenzeichen 31 Ca 25523/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Juli 1995 – 31 Ca 25523/94 – teilweise geändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 19.08.1994 nicht mit Wirkung zum 30.09.1994 beendet worden ist.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen
1. für die erste Instanz der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %,
2. für die Berufungsinstanz der Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer am 19.08.1994 zum 30.09.1994 ausgesprochenen Kündigung sowie einer weiteren – im Hinblick auf die vom Kläger erhobene Rüge der fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates – vorsorglich erneut am 29.09.1994 zum 31.10.1994 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Darüber hinaus fordert der Kläger von der Beklagten seine tatsächliche Beschäftigung.
Die Beklagte hat beide Kündigungen auf den Vorwurf gestützt, trotz ständiger Abmahnungen habe der Kläger von Mitte April bis zum 11. August 1994 immer wieder Pflichtwidrigkeiten begangen. Im einzelnen hat die Beklagte insoweit folgende Vorwürfe erhoben:
1.
Am 18.04.1995 habe der Kläger ein Faß fehlerhaft verladen und darüber seinem Vorgesetzten eine falsche Auskunft gegeben.
2.
Am 03.05.1994 habe er seine Arbeit statt um 5.00 Uhr erst um 7.00 begonnen,
3.
Am Samstag, dem 11.06.1994 habe er bei einem angesetzten Lagermeeting unberechtigt gefehlt.
4.
In der Zeit vor dem 21.06.1994 (Personalgespräch) habe er das in der Halle bestehende Rauchverbot häufig verletzt, sei schlampig gekleidet gewesen und habe eine schlechte Arbeitsmoral gezeigt.
5.
Für die Zeit nach seiner zunächst bis zum 27.06.1994 ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger weder die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich angezeigt noch rechtzeitig durch ein weiteres ärztliches Attest nachgewiesen.
6.
Der Kläger habe am 11.08.1994 zunächst die Frühschicht versäumt und dann erneut das in der Halle bestehende Rauchverbot verletzt.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes erster Instanz wird unter Hinweis auf § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Nach einer von ihm durchgeführten Beweisaufnahme hat das Arbeitsgericht bereits die Kündigung vom 19.08.1994 in ihrer Ausgestaltung als ordentliche Kündigung für wirksam erachtet und deshalb die vom Kläger erhobene Klage insoweit abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses dem Kläger am 22.08.1995 zugestellte Urteil hat er mit einem am 20.09.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 20.10.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger tritt dem angefochtenen Urteil im wesentlichen mit Rechtsausführungen entgegen und rügt die vom Arbeitsgericht angestellte Beweiswürdigung betreffend den Vorwurf der Verletzung des Rauchverbotes am 11.08.1994.
Erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet der Kläger, er habe die Versäumung der Frühschicht am 11.08.1994 dadurch ausgeglichen, daß er auf Drängen des Schichtführers wegen der personellen Unterbesetzung seinen Dienst um 11.00 Uhr angetreten und bis 19.00 Uhr gearbeitet habe.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung vom 19.08.1994 noch durch die ordentliche Kündigung vom 29.09.1994 aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Berufung mit Rechtsausführungen entgegen.
Betreffend den vom Kläger behaupteten Dienstantritt am 11.08.1994 entgegnet die Beklagte, sie könne die insoweit vom Kläger aufgestellte Behauptung nicht sofort überprüfen und erklärt, eine Tätigkeit von 11.00 bis 15.00 Uhr ergebe keinen Sinn, da die wesentliche Arbeit in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag anfalle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Partei...