Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung wegen hauptamtlicher Tätigkeit im ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit der DDR
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist zunächst unerheblich, ob der betreffende hauptamtliche Mitarbeiter des MfS eine über- oder eine untergeordnete Tätigkeit im Mannschafts- oder Offiziersrang ausgeübt hat.
2. Dieser Gesichtspunkt kann kündigungsrechtlich aber bei der einzelfallbezogenen Prüfung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung (hier: Küchenhilfe im Range eines Oberfeldwebels) entscheidungserheblich sein, und zwar neben anderen Aspekten.
Normenkette
Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III Ziff. 1 Abs. 5 Einigungsvertrag
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 27.08.1991; Aktenzeichen 61 A Ca 16184/91) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. August 1991 – 61 A Ca 16184/91 – wie folgt abgeändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die am II. August 1961 in Schlema geborene und seit Oktober 1980 verheiratete Klägerin, die Mutter von zwei 1981 und 1985 geborenen Kindern ist, besuchte vom 1. September 1968 bis Juli 1978 eine allgemeinbildende Schule und absolvierte von September 1978 bis Juli 1980 eine Ausbildung als Fachverkäuferin mit der Spezialisierung: Kassierung, die sie erfolgreich beendete. Bis zum 22. April 1982 war sie als Fachverkäuferin mit Kassierertätigkeit bei der …
… (Ost) tätig. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Auflösungsvertrages. Vom 1. Juni 1982 bis zum 15. Dezember 1989 war die Klägerin bei dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR, Hauptabteilung Personenschutz, Abteilung VI, Referat I (Versorgungseinrichtung) als Küchenhilfe eingestellt. Die Hauptabteilung PS (Personenschutz) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) war geschaffen worden, um den Schutz der führenden Repräsentanten der DDR und hochrangiger ausländischer Gäste zu gewährleisten. Dazu gehörte neben dem unmittelbaren physischen Schutz auch die Objektsicherung. Nach den Angaben der Klägerin gehörte es zu ihren Aufgaben, Kartoffeln zu schälen, abzuwaschen und ähnliche Arbeiten zu verrichten. Die Klägerin, die eine Verpflichtungserklärung für einen Zeitraum von 25 Jahren abgegeben hatte, bekleidete zuletzt den Rang eines Oberfeldwebels und erhielt nach ihren Angaben eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.400,– Mark.
Im Zusammenhang mit der Auflösung des MfS wurde die Klägerin am 18. Dezember 1989 durch den Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen/Steuern für die Hundesteuerbearbeitung eingestellt. Sie wurde mit Überleitungsvertrag vom 29. Juni 1990 für das neugeschaffene Finanzamt Körperschaften Berlin-Ost mit Wirkung vom 1. Juli 1990 übernommen und am 11. Januar 1991 zum Finanzamt … versetzt. Sie war dort als Sachbearbeiterin für die Hundesteuer tätig und erhielt zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1.540,– DM. Am 19. Dezember 1990 hatte die Klägerin einen ihr vom Finanzamt … vorgelegten Personalfragebogen (Bl. 61 ff d.A.) ausgefüllt und in diesem Zusammenhang ihre Tätigkeit im Ministerium für Staatssicherheit der DDR offenbart, nicht jedoch ihren militärischen Dienstrang. Nach der Überprüfung ihres Personalfragebogens kam es am 12. und 14. Juni 1991 zu einem Personalgespräch. Die Klägerin ergänzte ihren bisherigen Personalfragebogen dahingehend, daß sie zuletzt als Oberfeldwebel beim MfS tätig gewesen sei (Bl. 65 d.A.).
Nach-dem die Klägerin die ihr angebotene einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses entweder zu Ende August oder zu Ende September 1991 abgelehnt hatte, kündigte der Beklagte den Arbeitsvertrag der Klägerin mit Schreiben vom 21. Juni 1991, ihr zugegangen am 25. Juni 1991, wegen ihrer hauptamtlichen Tätigkeit als Oberfeldwebel beim Ministerium für Staatssicherheit außerordentlich zum 30. Juni 1991. Mit Schreiben vom 17. Juni 1991 hatte die Oberfinanzdirektion Berlin über den Vorsteher des Finanzamtes … den dort bestehenden Personalrat von seiner Absicht Unterrichtet, den Arbeitsvertrag der Klägerin wegen ihrer früheren Zugehörigkeit zum Ministerium für Staatssicherheit außerordentlich zu kündigen. Der Personalrat nahm das fragliche
Schreiben zur Kenntnis, stimmte jedoch der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 20. Juni 1991 nicht zu.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 2. Juli 1991 eingegangenen und dem Beklagten am 18. Juli 1991 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß diese rechtsunwirksam sei. Sie habe nur eine Tätigkeit als Küchenhelferin beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR ausgeübt und nur einen untergeordneten militärischen Mannschaftsgrad innegehabt. Bedauerlicherweise sei ihr für die Tätigkeit als Küchenhelferin der Rang eines Oberfeldwebels verliehen worden. Leider habe man in der DDR auch im Küchenbereich anscheinend ohne militärische Ränge nicht auskommen können. Den damaligen Machthabern...