Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung zum Zwecke der Kostensenkung in einer Betriebsabteilung
Leitsatz (amtlich)
1) Durch den Abschluß einer Betriebsvereinbarung zur „Reorganisation” einer Betriebsabteilung ist das dringende betriebliche Erfordernis für den Ausspruch von Änderungskündigungen nicht bindend festgelegt.
2) Allein das dringende Bedürfnis, eine unselbständige Betriebsabteilung wegen hoher Kostenbelastung zu sanieren, begründet noch kein dringendes betriebliche Erfordernis für eine Änderungskündigung zum Zwecke der Lohn- und Gehaltssenkung, denn entscheidend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des gesamten Betriebes. Dies gilt auch dann, wenn durch Änderungskündigungen die Auslagerung auf ein Drittunternehmen verhindert werden soll.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 09.12.1996; Aktenzeichen 16 Ca 29278/96) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Dezember 1996 – 16 Ca 29278/96 – wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß festgestellt wird, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten mit Schreiben vom 27. Juni 1996 sozial ungerechtfertigt ist.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
Der am 07. September 1945 geborene Kläger war seit dem 01. April 1963 bei der Mercator Druckerei GmbH als Schriftsetzer beschäftigt. Am 01. April 1994 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Die aufgrund kollektiv-rechtlicher Regelungen bei der Mercator Druckerei GmbH geltenden materiellen Arbeitsbedingungen wurden entsprechend einer zwischen der Geschäftsleitung der Mercator Druckerei GmbH und dem Betriebsrat der Mercator Druckerei GmbH vom 17. September 1993 (Ablichtung Bl. 70 und 71 d.A.) für weitere zwei Jahre ab dem 01. April 1994 von der Beklagten erfüllt.
Der Kläger wurde von der Beklagten als Schriftsetzer und Schichtleiter im Bereich Anzeigensatz beschäftigt. Dort bearbeitete der Kläger die aus der Anzeigenabteilung gelieferten Vorlagen in der Texterfassung. Dabei erfaßte er die Texte anhand der Manuskripte elektronisch. Weiterhin wurden graphische Elemente integriert und gegebenenfalls Freiräume für die spätere Montage von gelieferten graphischen Elementen gelassen. Als Schichtleiter ordnete der Kläger zudem die eingehenden Manuskripte nach Daten (Terminüberwachung) und überwachte verantwortlich den Arbeitsablauf und hielt den Kontakt zur Anzeigenabteilung. Der Kläger erhielt einen Stundenlohn in Höhe von 27,08 DM brutto zuzüglich 3,79 DM brutto als Schichtleiterzulage. Bis einschließlich März 1996 erhielt der Kläger weitere Zulagen und Zuschläge gemäß der Betriebsvereinbarung vom 17. September 1993. Ab April 1996 bis einschließlich Januar 1997 betrug der monatliche Durchschnittsverdienst des Klägers 5.441,92 DM brutto.
Bei der Beklagten kommt ein Haustarifvertrag zur Anwendung, der am 22./28. Oktober 1993 zwischen der Beklagten einerseits und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) Landesverband Berlin und Brandenburg und der Industriegewerkschaft Medien-Druck und Papier, Publizistik und Kunst Landesbezirk Berlin-Brandenburg andererseits abgeschlossen worden ist. Unter § 2 (Entgeltregelung) ist unter anderem folgendes vereinbart:
„Die Gehälter und Löhne werden jeweils mit dem 1. Juli jeden Jahres, beginnend mit dem 1. Juli 1994, um linear 2 % angehoben. Berechnungsgrundlage ist das jeweilige Effektiventgelt.
Die Gehalts- bzw. Lohnanhebung entfällt, wenn das Effektiventgelt im Einzelfall nach bereits erfolgter Eingruppierung/Lohngruppenzuordnung höher als das Entgelt der als Bezugsgröße bestimmten tariflichen Regelung ist.
Bezugsgrößen sind für die Angestellten der Gehaltstarifvertrag für Angestellte des Zeitungsverlagsgewerbes in Hamburg vom 14. Mai 1991 in seiner jeweils gültigen Fassung, für Arbeiter der Lohnrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 01. Oktober 1984 in seiner jeweils gültigen Fassung.
Im jeweiligen Arbeitsvertrag als Zuschläge oder Zulagen (z.B. Leistungs-, Funktionszulagen) ausgewiesene Entgeltbestandteile zählen nicht zum Effektiventgelt.”
Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Haustarifvertrages wird auf die Ablichtung Bl. 152 bis 156 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 28. März 1995 unterbreitete die Lecloux GmbH der Beklagten ein Angebot, den vollständigen Anzeigensatz einschließlich Korrektorat und Montage für 1,6 Millionen DM, bezogen auf das Jahr 1996, zu übernehmen. Auf Initiative des Betriebsrates nahm die Geschäftsleitung der Beklagten von einer Auslagerung des Anzeigensatzes Abstand. Am 14. Mai 1996 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung „Reorganisation Anzeigensatz” ab, hinsichtl...